16. Dez 2022
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Wirtschaft
Journalist: Silja Ahlemeyer
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Foto: VDMA
Hartmut Rauen, stellv. Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), spricht über die klimaneutrale Produktion in der Industrie.
Beim Umbau der Industrie in Deutschland hin zur Klimaneutralität hat Bundeskanzler Olaf Scholz Tempo versprochen. Ist dieses Ziel bis 2045 tatsächlich zu erreichen?
Es ist noch ein langer Weg bis dahin, aber ja, man kann dieses Zeil erreichen! Es ist eine Frage der Ambitionen. Wir sehen derzeit, dass sich alle Seiten bemühen, Kompromisse einzugehen, beispielsweise bei der Balance zwischen Umweltschutz und den Flächen für Windkraftanlagen. Da herrscht schon Einsicht zur Notwendigkeit, und das ist viel wert.
Welche Schritte müssen jetzt konkret unternommen werden, insbesondere im Anlagenbau?
Aus Sicht der Anlagenbauer sind Innovation und ein erfolgreicher Vertrieb der Schlüssel zum Erreichen der Klimaneutralität. Denn dass wir klimaneutral produzieren und realisieren können, was die Industrie sich wünscht, haben wir bereits bewiesen. Wir bieten konkrete Lösungen – und müssen diese nun auch in die Umsetzung bringen. Wir sehen dabei den Maschinenbau als zentralen Lösungsgeber für eine klimaneutrale Welt.
Kann die industrielle Transformation trotz oder wegen der aktuellen Krisen gelingen?
Eine Krise ist auch immer eine Chance und ein Einstieg in eine Wende. Diese passiert jetzt. Die aktuellen Debatten sehen wir als Basis der Neuausrichtung für viele zukünftige Investitionen.
Welches sind aktuell weitere wichtige Themen?
Der Fachkräftemangel beschäftigt uns sehr. Dem müssen wir begegnen und auch hier aktiv Lösungen suchen. Wir wollen mit Deutschland die Techniknation Nummer Eins bleiben und begrüßen daher auch die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland.
Welche Schlüsseltechnologien sind im Sinne der Industrie 4.0 Voraussetzung für das Umsetzen der industriellen Transformation?
Wichtig ist die Vernetzung von Prozessen. Die Maschinenbauer sehen sich hier als maßgebliche Treiber, denn sie sind sowohl in der Lage, Sensoren in ihre Maschinen zu integrieren als auch Daten in die Cloud zu schicken. Und wir sind bereits dabei, IT und OT, also Office und Shop Floor, miteinander zu verbinden zur intelligent vernetzten Produktion hin zu neuen Geschäftsmodellen.
Eine weitere Grundvoraussetzung für die industrielle Transformation ist, dass über alle Stufen des Wertschöpfungsnetzwerks Klarheit über Prozesse und eingesetzte Materialien besteht - und zwar über Lebenszyklusphasen hinweg. Und es braucht mehr Zusammenarbeit hin zu einem souveränen und resilienten Produktionsstandort Europa. Mithilfe digitaler, datenbasierter Lösungen werden die benötigten Informationen verfügbar. Dafür treiben wir in Kooperation mit anderen Partnern die Initiative "Manufacturing-X" an.
Was ist das genau?
Durch das System "Manufacturing-X" soll die Einbindung der mittelständischen Unternehmen in die digitale Transformation gelingen. Wir setzen hier den Datenraum Industrie 4.0 um, also auf offenen Standards basierendes föderatives Daten-Ökosystem, welches den Unternehmen und der Wirtschaft digitale Souveränität bietet. Dies ist ein Gegenentwurf zu zentralen Plattformlösungen. Mit einem solchen System wird es möglich, Wertschöpfungsnetzwerke neu zu organisieren und schnell auf Störungen zu reagieren; neue Geschäftsmodelle, geschlossene Kreislaufwirtschaft und Effizienzsteigerungen im Sinne der Nachhaltigkeit genauso zu ermöglichen wie digitale Innovationen, um die globale Führungsposition der deutschen Industrie zu sichern und auszubauen.