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23. Jul 2019

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Gesellschaft

Der beste Stoff bleibt Natur

Journalist: Christiane Meyer-Spittler

Kleidung tragen wir wie eine zweite Haut, doch manche Textilien enthalten so hochgiftige Chemikalien, dass sie eigentlich Sondermüll sind.    

  

Kompostiervorgang, Foto: Pressefoto

Langsam entwickelt sich in der Textilindustrie ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Verbraucher sind aufgeklärter, fragen nach und erwarten auch hier ökologische, sozial vertretbare Produkte. So gibt es bereits Möbelbezugsstoffe oder Teppichböden, die sortenrein trennbar und somit zu 100 % recyclingfähig sind.

Die Modeindustrie hingegen steht noch unter ungeheurem Druck. Besonders der Onlinehandel verlangt, mindestens vierteljährlich bis wöchentlich eine neue Kollektion auf den Markt zu bringen. Da bleiben Produzenten weder Zeit noch Geld für Designentwicklung, Forschung oder Innovationen.

Trotzdem setzen sich Gegentrends zu dieser Fast Fashion zunehmend durch. Labels wie „Slow Fashion“, „Green Fashion“ oder „Faire Trade Fashion“ arbeiten mit hochwertigen, zum Teil recyclebaren Materialien, die eine höhere Lebensdauer besitzen. Ebenfalls gibt es bereits Verfahren, die auf Basis von Baumwollabfällen eine neue Faser entwickeln. Diese Abfälle stammen von Textilriesen, die wiederum aus diesen Fasern hergestellte Kleidungsstücke in ihren Shops verkaufen.

Weitere alternative Varianten der Fasererzeugung sind die aus Kunststoffabfällen. Unternehmen sammeln im Meer schwimmende Geisternetze ein und stellen recyceltes Nylongarn her. Oder es wird durch innovative Verfahren Polyester aus Plastikflaschen gewonnen. Die Plastikflaschen stammen  aus Haiti und Honduras, werden direkt vor Ort gewaschen, geschreddert und schließlich als Chips zur Weiterverarbeitung nach Nordamerika verschifft. Nachhaltigkeit hat hier nicht nur einen ökologischen, sondern durch die Schaffung von Arbeitsplätzen auch einen sozialen Aspekt. 

Greenpeace hat 2011 die Detox-Kampagne ins Leben gerufen, die nach acht Jahren unerwartete Fortschritte zeigt. Mittlerweile haben sich weltweit 80 Unternehmen dazu verpflichtet, auf elf der gefährlichsten Chemikalien zu verzichten. Ein EU-weites Einführverbot für Textilien, die giftiges NPE enthalten, tritt 2020 ebenfalls in Kraft. Ziel bis 2020 bleibt es, dass alle teilnehmenden Firmen ihre gesamte Produktion entgiften. In Deutschland sind laut Greenpeace bereits 30 % der Textilhersteller auf Detox-Kurs, weltweit sind es bis jetzt etwa 15 %.

Da die Herstellung eines Textilproduktes mit einem hohen Personaleinsatz verbunden ist, wird diese vorwiegend in asiatische Länder mit niedrigem Lohnkostenniveau ausgelagert. Dort bleiben insbesondere Arbeitssicherheit, Kinderarbeit und faire Löhne zentrale Themen für nachhaltig produzierende Unternehmen. Um die sozialen und ökologischen Herausforderungen in der globalen Textilwertschöpfungskette anzugehen, sind Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen gefragt.

Mittlerweile ist auch das Cradle-to-Cradle-Prinzip (= vom Ursprung zum Ursprung) in der Textilbranche angekommen. Es steht für eine in sich geschlossene Kreislaufwirtschaft,  die bereits in den 90er-Jahren von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entworfen wurde. Nach diesem Konzept werden nur Stoffe verwandt, die zu 100% aus unkritischen Substanzen bestehen,  Ressourcen nur ge- statt verbrauchen und nie zu Abfall werden, da sie vollständig recycelbar oder biologisch abbaubar sind. Alle „C2C“-Produkte“ lassen sich als Nährstoff in den biologische Kreislauf zurückführen oder als „technischer Nährstoff“ in technischen Kreisläufen halten. Nach diesem Prinzip hergestellte Produkte lösen Rohstoff- und Abfallprobleme zugleich und setzten Mensch und Umwelt keinerlei Risiken durch potenziell schädliche Substanzen aus. Es wäre eine Antwort für die Industriegesellschaft,
ihre Produktionsverfahren nach dem Modell der Natur zu gestalten. Denn Natur kennt weder Abfall, noch Verschwendung oder gar Verschmutzung.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.