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7. Jul 2022

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Wirtschaft

Der Gebäudesektor wird seinen Beitrag leisten

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Dr. Carsten Liesener, CEO Siemens Smart Infrastructure – Region Europe, Solution & Services, spricht über die Bau- und Gebäudebranche und deren Kohlendioxid-Emissionen sowie die potenziellen Einsparmöglichkeiten.

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Dr. Carsten Liesener, CEO Siemens Smart Infrastructure – Region Europe, Solution & Services

Der Gebäudesektor, auf den gut 36 Prozent aller CO2-Emissionen entfallen, ist ein großer Hebel zur Senkung der Emissionen. Die EU hat dazu die „Renovation Wave“ ins Leben gerufen, denn allein in Europa müssen etwa 30 Millionen Gebäude energetisch saniert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Die Emissionen stammen aus der darin eingebetteten „grauen“ Energie, und aus der fortgesetzten Nutzung von immer mehr Strom sowie fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas. Wir müssen dafür jedoch nicht nur den Energiekonsum, sondern auch die -produktion ansehen, denn was nicht verbraucht wird, muss auch gar nicht erst erzeugt werden.

Um Emissionen zu senken, kann man die Gebäudeinfrastruktur technologisch optimieren und in erneuerbare Energien investieren. Gerade in bestehenden Gebäuden lässt sich damit der CO2-Ausstoß massiv senken. Energieeffizienz Maßnahmen, optimierte Licht- und Laststeuerung, vorausschauende Maintenance sind hier wesentliche Hebel. Siemens liefert passende Produkte, Lösungen und Services, um Emissionen ganzheitlich zu reduzieren und den Dekarbonisierungsfortschritt zu messen.

Der European Green Deal hat im Rahmen von „Fit for 55“ klare Vorgaben zur Reduzierung des Emissionsausstoßes veröffentlicht. Werden diese nicht erreicht, drohen erstens Strafsteuern, zweitens sinkt der Wert der Gebäudeinfrastruktur. Andersherum sind die EU-Subventionen ein großer Stimulus. Konnte man sich früher mit Zertifikaten retten, braucht man heute zielgerichtete Maßnahmen – und muss diese auch nach den ESG-Regularien nachweisen. Sonst wird es zunehmend schwieriger, im Markt zu bestehen. Nachhaltigkeit hat mittlerweile viel mit Reputation zu tun.

Schaut man in die Zukunft, wird es vermehrt intelligente Infrastruktur geben. Gebäude entstehen zweimal, einmal im digitalen Twin und dann real. Gebäudeinfrastruktur nutzt über die Digitalisierung die Daten des Gebäudes zur kontinuierlichen Optimierung, ist an Micro Grids angeschlossen, produziert erneuerbare Energie, vernetzt E-Mobility, nutzt Speicherkapazität und verfügt über ein effizientes Wassermanagement.

Der Gebäudesektor wird in bestehender und zukünftiger Infrastruktur seinen Beitrag zu Nachhaltigkeit und dem Erreichen der Emissionsziele leisten.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.