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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Der Staat sollte Rahmenbedingungen setzen

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: VDMA

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA)

Die Umsetzung aber muss er den Unternehmen überlassen, denn er ist nicht schlauer als der Markt, sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.

Herr Brodtmann, worin sehen Sie die größten aktuellen Herausforderungen für die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer?
Die größte Herausforderung für unsere Betriebe ist der Fach- und Arbeitskräftemangel, das zeigen alle unsere Umfragen. Zuletzt meldeten im Dezember vier von fünf Unternehmen merkliche oder gravierende Beeinträchtigungen durch Fachkräftemangel. Und nur wenige VDMA-Mitgliedsfirmen sind optimistisch, dass sich die Engpässe in den nächsten Monaten entschärfen werden.

Daneben müssen die zumeist mittelständischen Betriebe, die stark vom Export leben, in einer Welt zurechtkommen, in der Handelsschranken eher auf- als abgebaut werden. Und schließlich gilt es, mit den veränderten Standortbedingungen in Deutschland und Europa klarzukommen, die durch den Ukraine-Krieg verursacht oder beschleunigt wurden. Da geht es unter anderem um eine Flut von neuen Regularien, die gerade kleine und mittlere Betriebe überfordert.

Wie groß ist die Belastung durch die gestiegenen Energiepreise?
Der Maschinenbau selbst ist keine energieintensive Branche, die Energiekosten machen nur einen kleinen Prozentsatz an den Gesamtkosten aus. Aber natürlich gibt es Firmen, bei denen es anders aussieht, etwa wenn sie eigene Gießereien oder Härtereien haben. Richtig getroffen wird unsere Branche indirekt über die kräftigen Preissteigerungen für viele Materialien und Komponenten. Das lässt sich im B2B-Geschäft vielfach nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben.

„Es geht ja auch darum, die CO2-Emissionen insgesamt schneller und wirksamer zu senken, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dafür hat der Maschinen- und Anlagenbau die benötigten Technologien, aber sie müssen auch zum Einsatz kommen.“

Was müsste getan werden?
Nach Kriegsbeginn haben die deutsche Regierung und die EU eine unverhoffte Stärke gezeigt und zum Beispiel rasch die benötigten LNG-Terminals genehmigt und gebaut. Jetzt wäre es wichtig, dieses Tempo nicht nur im Ausbau der Erneuerbaren Energien hochzuhalten, sondern für die Nutzung der gesamten Technologiepalette. Insbesondere die Genehmigungsverfahren für viele bereits etablierte Technologien dauern viel zu lange. Und es geht ja auch darum, die CO2-Emissionen insgesamt schneller und wirksamer zu senken, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dafür hat der Maschinen- und Anlagenbau die benötigten Technologien, aber sie müssen auch zum Einsatz kommen.

Verschwendet die Branche zu viele Ressourcen und wenn ja, wie könnte das geändert werden?
Mittelständische Unternehmen machen auch nicht alles richtig, aber Ressourcenverschwendung kommt so gut wie nicht vor. Das gilt insbesondere für ihre Produkte: Die Kunden verlangen höchste Effizienz von Maschinen und Anlagen „Made in Germany“. Und das heißt auch, Ressourceneinsatz minimieren, wo immer es geht. Aber natürlich ist jeder Betrieb gefordert, seine Prozesse immer wieder zu hinterfragen und zu optimieren.  

Wie sieht es mit der Digitalisierung der Branche aus?
Hier gibt es zwei Blickwinkel. Können die Kunden mit den neu erworbenen Maschinen ihre eigene Produktion besser digitalisieren? Ganz eindeutig ja, deshalb erneuern sie ja ihren Maschinenpark, um eine vernetzte, intelligente Produktion aufzubauen. Und wir arbeiten im VDMA zusammen mit den Firmen mit Hochdruck daran, die Weltsprache der Produktion, OPC UA, weiter auszurollen. Sie ermöglicht es, dass auch Maschinen unterschiedlicher Hersteller miteinander problemlos kommunizieren können. Eine andere Frage ist, wie weit die mittelständischen Maschinenbauer damit sind, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren und sich auf die Plattformökonomie einzulassen. Hier gibt es noch einiges zu tun. Die Potenziale werden zwar erkannt, aber sie umzusetzen, ist mühsam.

Welche Forderungen haben Sie an den Staat?
Bundeskanzler Olaf Scholz hat zurecht eine Zeitenwende ausgerufen. Kurzfristig hat die Politik gut reagiert, aber jetzt muss es darum gehen, für die kommenden Jahre einen konkreten Plan auszuarbeiten, wie sich das Land verändern soll. Mittel- bis langfristige Planbarkeit fördert Investitionen und sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Der industrielle Mittelstand muss von Bürokratie entlastet werden und es bräuchte dringend eine bessere Koordinierung all der neuen Regularien, die von der EU gerade auf den Weg gebracht werden. Bei all dem sollte der Staat nie vergessen, was seine eigentliche Rolle ist: Vernünftige Rahmenbedingungen setzen und dann auf die Schwarmintelligenz der Märkte vertrauen. Wenn die Politik immer mehr bestimmt, welche Technologien angeblich richtig sind, ist das kontraproduktiv. Der Staat ist auch künftig nicht schlauer als der Markt.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.