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1. Okt 2025

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Wirtschaft

„Der Wandel beginnt beim Umdenken“ – mit Nora Sophie Griefahn, Co-Gründerin & Geschäftsführende Vorständin, Cradle to Cradle NGO

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Cradle to Cradle NGO, Josh Power/unsplash

Cradle to Cradle hat großes Potenzial und ist bereits weit verbreitet. Gleichwohl benötigen die Unternehmen Unterstützung durch die Politik.

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Nora Sophie Griefahn, Co-Gründerin & Geschäftsführende Vorständin, Cradle to Cradle NGO

Immer mehr Unternehmen in Deutschland arbeiten nach dem Prinzip des Cradle to Cradle (C2C), das über das hinausgeht, was allgemein als Kreislaufwirtschaft definiert wird. Das Ziel ist nicht, durch wirtschaftliches Handeln weniger schädlich zu sein, sondern einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Mehrwert zu schaffen. Heute ist Recycling meist Abfallmanagement oder Downcycling. C2C denkt von Anfang an anders und wertet Müll als Designfehler. Produkte sollen so gestaltet sein, dass sie kontinuierlich in biologischen oder technischen Kreisläufen zirkulieren. „Im Produktdesign ist ein wichtiges Prinzip Materialgesundheit und Kreislauffähigkeit – wir nutzen nur Materialien, die abgeleitet vom Nutzungsszenario für das Produkt geeignet sind“, erklärt Nora Griefahn, Co-Gründerin und geschäftsführende Vorständin der Cradle to Cradle NGO.

Frau Griefahn, und wie sieht es in der Produktion aus? In der Produktion setzen wir erneuerbare Energie ein, nutzen Wasser in geschlossenen Kreisläufen, halten die Luft sauber und haben entlang der Lieferketten faire Arbeitsbedingungen.

In welchen Branchen oder Produktgruppen wird C2C bereits erfolgreich angewendet? Beispiele für C2C gibt es in nahezu jeder Branche, weil der Ansatz Wirtschaftlichkeit, soziale Verantwortung und Umweltschutz vereinbart. Im Textilbereich setzen große Marken C2C bereits um. Bei jedem Waschgang landen tausende Textilfasern in der Umwelt, die dort abbaubar sein müssen. Es entstehen Gebäude wie The Cradle in Düsseldorf, die nach C2C geplant und mit C2C-Baustoffen gebaut werden. Diese Gebäude sind demontierbare Materiallager, deren Wert mit steigenden Rohstoffpreisen zunimmt. Auch in anderen Bereichen sehen wir Bewegung: von C2C-Elektrogeräten bis zu Fabriken, aus denen Wasser sauberer herauskommt, als es reinfließt. Diese Ansätze müssen wir nun skalieren.

Beispiele für C2C gibt es in nahezu jeder Branche, weil der Ansatz Wirtschaftlichkeit, soziale Verantwortung und Umweltschutz vereinbart.

Welche Hindernisse gibt es, die eine breitere Anwendung von C2C behindern? Wir subventionieren viele lineare Wirtschaftspraktiken. Beispielsweise ist die Produktion von neuem Plastik aus Erdöl von der Energiesteuer befreit. Damit ist recycelter Kunststoff automatisch teurer. Diese Fehlanreize müssen wir abschaffen, damit ein Level Playing Field entsteht. Sie widersprechen auch dem politischen EU-Ziel einer Circular Economy.

Wie können denn Unternehmen, insbesondere KMUs, bei der Umstellung auf C2C unterstützt werden? Der Wandel beginnt beim Umdenken, braucht aber politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die klima- und ressourcenpositives Handeln fördern. Wertschöpfung sollte danach bewertet werden, ob langfristig Mehrwert entsteht. Dafür braucht es Preise, die externe Kosten abbilden und verbindliche politische Rahmenbedingungen.

Wie groß ist das Potenzial? Eine Studie des BDI und Deloitte zeigte 2024, dass durch die Umsetzung einer Circular Economy die Bruttowertschöpfung in Deutschland bis 2030 um 12 Mrd. € pro Jahr steigen würde. Indirekte Effekte wie geringere Importabhängigkeit, höhere Unternehmensresilienz und Wettbewerbsvorteile sind da nicht mitgerechnet. Die EU kann durch C2C als Standort zum globalen Vorreiter werden.

Die EU kann durch C2C als Standort zum globalen Vorreiter werden.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Rohstoffkreisläufe für Umreifungsbänder schließen – mit Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern

![Scheiblehner_Jürgen_bettercollect2 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Scheiblehner_Juergen_bettercollect2_ONLINE_a360744382.jpg) ```Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern.``` Mit better.collect haben wir den Kreis zwischen Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwertung von Umreifungsbänder geschlossen. Es ist ein bereits funktionierender Kreislauf – und eine Einladung an die gesamte Industrie, sich dieser Win-Win-Situation anzuschließen. Unsere Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt klar: Die eigene Abholung und Sammlung bei einzelnen Unternehmen ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden. Unser Ziel ist es, diesen Closed Loop gemeinsam zu etablieren und damit einen Standard für verantwortungsvollen Materialeinsatz zu setzen. Mein Appell an die gesamte Branche, einschließlich Wettbewerbender: Nutzen wir diese Synergien. Allein ist dieser Weg weder kosteneffizient noch nachhaltig darstellbar. Gemeinsam aber wird er zu einer starken Lösung für Unternehmen und Umwelt. >Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden.