1. Okt 2025
|
Gesellschaft
Journalist: Katja Deutsch
|
Foto: Evgeniy Surzhan/unsplash
Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz ist Dekan des Fachbereichs Bauwesen der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen. Bei ihm lernen viele angehende Ingenieure und Architekten digitale Kompetenzen wie den Umgang mit BIM – doch an den meisten Hochschulen wird dies nicht intensiv genug gelehrt
Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz, Dekan des Fachbereichs Bauwesen der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM)
Prof. Dr. Díaz, wie sollte die bestmögliche Ausbildung junger Ingenieure und Architekten heute aussehen? Was müssen die Jungen weitaus besser können als die alten Hasen?
Ich fange mal mit den alten Hasen an: Die alten Hasen sind die Kompetenzträger, sie haben die Erfahrung. Junge Architekten und Bauingenieure sollten von erfahrenen Kollegen lernen. Insgesamt sind die Anforderungen in der Baubranche gestiegen: Nachhaltigkeit, Bürgerbeteiligungen, zirkuläres Bauen, Brand- und Umweltschutzvorgaben und unzählige andere rechtliche Aspekte müssen beachtet werden. Neben klassischen Grundlagen wie Mathematik, Mechanik und Baukonstruktion müssen Absolventen heute projektorientiertes Lernen, Problem Based Learning und den Umgang mit digitalen Tools beherrschen. Zudem brauchen sie die Fähigkeit, Entwürfe und Leistungen überzeugend zu präsentieren, damit auf der einen Seite bei den Planern die Honorare stimmen und auf der anderen Seite bei den Baufirmen die Einnahmen generiert werden können.
Wie steht es um die Fähigkeiten in der Anwendung von BIM?
Wir produzieren in Deutschland relativ wenige Absolventen mit fundierten BIM- und Digitalisierungs¬kompetenzen, bei 100 Absolventen etwa eine Handvoll. Dies ist einfach zu wenig. Bei uns an der Technischen Hochschule Mittelhessen liegt die Zahl mit etwa 25 pro Jahr zwar vergleichsweise hoch, es sind aber immer noch viel zu wenige! Vermittelt werden dabei die verschiedenen Dimensionen von BIM, von der 3D-Modellierung über Zeit- (4D) und Kostenaspekte (5D) bis hin zu Nachhaltigkeit (6D) und Facility Management im Betrieb (7D). Entscheidend ist, dass diese Modelle nicht isoliert bleiben, sondern über Schnittstellen menschlich wie digital, abgestimmt und ausgetauscht werden.
Zunehmend spielen auch Zukunftstechnologien eine zentrale Rolle: Künstliche Intelligenz, das Konzept „Bauen 4.0“ mit Sensoren und IoT für Gebäudesteuerung, digitale Zwillinge zur Integration von Sensordaten, Roboter für Bauprozesse sowie Drohnen und Scanverfahren für die Dokumentation und automatisierte Modellerstellung. Didaktisch setzt man dabei auf problemorientiertes Lernen: Projekte stehen im Zentrum, an denen Studierende praxisnah die relevanten Aspekte durchdringen und Lösungen entwickeln. Insgesamt tun wir uns in Deutschland jedoch schwer mit den neuen Technologien und den Lehrformen.
Neben klassischen Grundlagen wie Mathematik, Mechanik und Baukonstruktion müssen Absolventen heute projektorientiertes Lernen, Problem Based Learning und den Umgang mit digitalen Tools beherrschen.
Mit welchen Tools und Softwarelösungen arbeiten Ihre Studierenden im Rahmen der BIM Ausbildung und wie halten Sie das Ganze angesichts der schnellen Entwicklung aktuell?
In Deutschland gibt es eine besonders große Vielfalt an Softwaresystemen für das Bauwesen, mehr als in vielen anderen europäischen Ländern oder den USA. Hochschulen pflegen enge Herstellerkontakte, sodass Studierende die Systeme meist kostenlos nutzen können.
Welche Kompetenzen im Bereich BIM oder auch KI werden denn Ihrer Meinung nach in fünf bis zehn Jahren besonders gefragt sein?
Diese Frage ist wirklich sehr gut. Deutschland verfolgt seit 2015 mit dem Stufenplan eine BIM-Strategie. Zehn Jahre später ist das Bewusstsein vorhanden, die Anwendung bleibt aber begrenzt: In der Planung wird BIM etwa zu 50 Prozent genutzt, in der Ausführung zu zehn Prozent, im Betrieb noch viel weniger. Ziel der nächsten fünf bis zehn Jahre ist die flächendeckende Einführung, vor allem in Kommunen, wobei der Ausbau schrittweise von Bundesländern über Landkreise zu den Städten erfolgen soll.
In Deutschland gibt es eine besonders große Vielfalt an Softwaresystemen für das Bauwesen, mehr als in vielen anderen europäischen Ländern oder den USA.