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27. Apr 2020

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Wirtschaft

Deutschlands Industrie ist ein Vorreiter

Journalist: Armin Fuhrer

Die Automatisierung ist weit vorangeschritten. Eine der nächsten großen Aufgaben ist die Vernetzung, sagt Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-Becker.


Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Foto: Presse

Wie groß ist inzwischen die Roboterdichte in der Industrie in Deutschland?

Die deutsche Volkswirtschaft ist im internationalen Vergleich bei der Roboterdichte gut aufgestellt: 2018 kamen auf 10.000 Beschäftigte rund 338 Einheiten. Damit zählt Deutschland zu den Ländern mit den meisten Robotern.

Gibt es Prognosen für die zukünftige Entwicklung?

Das Potenzial vieler digitaler Technologien wie der KI oder der Blockchain ist derzeit noch kaum absehbar. Prognosen sind daher schwierig. Klar ist: Der Einsatz von Robotern wird weiter steigen, denn zukünftig werden sie weit mehr Fähigkeiten als der traditionelle Industrieroboter haben. Kollaborative Roboter werden eng mit dem Menschen zusammenarbeiten. So entstehen neue Anwendungsfelder. Die Kosten für den Einsatz von Robotern sind zudem in den letzten Jahren gesunken, sodass sie auch für kleinere KMU in Frage kommen.

In welchen Branchen geht es besonders gut voran mit der Automatisierung? Und wo sehen Sie Nachholbedarf?

Die Automatisierung ist in der deutschen Industrie sehr weit vorangeschritten. Entscheidend ist, dass Deutschland und Europa die nächste Stufe erfolgreich bewältigen, die Vernetzung und Digitalisierung im Zuge der Industrie 4.0. Wir müssen bei der Nutzung digitaler Technologien vorne mit dabei sein, neue Geschäftsmodelle entwickeln und die Zukunft aktiv gestalten.

Wir unterstützen vor allem den Mittelstand dabei, das Potenzial neuer Technologien für sich zu nutzen. In den Industrie-4.0-Kompetenzzentren und durch den Einsatz von KI-Trainern bieten wir Unterstützung dabei, an die Entwicklungstrends anzuknüpfen und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.

Die Konkurrenz in China, den USA oder Südkorea schläft nicht. Was muss die Industrie tun, um mithalten zu können?

Die deutsche Industrie hat global eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung industrieller Prozesse. Die Unternehmen bauen auf ihre traditionell sehr starke internationale Position im Maschinen- und Anlagenbau auf. Viele Länder – auch die Global Player – schauen darauf, welche Innovationen unsere Unternehmen vorantreiben und nehmen sie zum Vorbild. Die Plattform Industrie 4.0 ist als eines der größten Expertennetzwerke zu einem internationalen Aushängeschild avanciert.

Die Digitalisierung der Industrie geht dabei weit über die Automatisierung hinaus, Stichwort Plattformökonomie. Bisher stehen die B2C-Plattformen im Vordergrund, künftig werden aber auch B2B-Plattformen immer wichtiger. Hier ist der Markt noch relativ offen und es muss Deutschlands Anspruch als starker Industriestandort sein, auf diesem Plattformmarkt eine entscheidende Rolle zu spielen. Viele Unternehmen haben das längst erkannt, eigene Plattform-Angebote entwickelt und auf den Markt gebracht.

Wo kann die Politik noch mehr unterstützen und fördern als im Moment?

In der Digitalisierung sind Daten der bedeutendste Rohstoff. Deshalb hat das BMWi 2019 gemeinsam mit zahlreichen Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft das Projekt Gaia-X angestoßen. Wir wollen eine Dateninfrastruktur für Europa, die es ermöglicht, Daten sicher, verlässlich und mit einem hohen Niveau an Datenschutz zu speichern, zu tauschen und gemeinsam zu nutzen. Hierüber sollen Innovationen und innovative Geschäftsmodelle ermöglicht werden.

Das Projekt ist sehr erfolgreich. Inzwischen sind daran bereits rund 200 Unternehmen und Institutionen beteiligt – und jede Woche werden es mehr. Auf der Hannover Messe werden die Akteure die Fortschritte präsentieren. Schon Ende 2020 ist der Test eines Prototyps in einem echten Kundenumfeld geplant.

Robotic und Automation werden in Zukunft weite Teile der Industrie beherrschen. Wird der Mensch überflüssig? Oder anders gefragt? Bedroht diese Entwicklung nicht zahlreiche Jobs?

Die Automatisierung wird ohne Zweifel Arbeitsplätze ersetzen. Sie schafft aber auch viele neue. Unser Ziel ist, dass sie nicht irgendwo entstehen, sondern vor allem auch hier bei uns in Deutschland und Europa.

Neue Beschäftigungsfelder sind tendenziell anspruchsvoller und komplexer. Die Weiterbildung von Beschäftigten wird deshalb in Zukunft noch wichtiger. Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen, können wir den Einsatz neuer Technologien im Sinne der Beschäftigten fördern und das Wachstumspotenzial für den Wirtschaftsstandort nutzen.

Kann nicht Kollege Roboter helfen, die Folgen des demographischen Wandels abzumildern?

Bereits heute haben wir Fachkräfteengpässe in vielen Bereichen. Es fehlen Ingenieure und IT-Experten, Pflegepersonal und Erzieher. Eine verstärkte Automatisierung kann dies abfedern – aber natürlich nur teilweise. Denn klar ist: Ein Roboter kann menschliche Arbeitskraft ersetzen, aber nicht menschliche Zuwendung. Wir müssen daher schauen, in welchen Bereichen wir den verstärkten Einsatz von Robotik befürworten und eventuell auch vorantreiben können.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.