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6. Aug 2020

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Wirtschaft

Die Corona-Krise als Motor

Journalist: Armin Fuhrer

Für viele Unternehmen aus der Baubranche war die Pandemie ein Schub in Richtung Digitalisierung. Auch die Umstellung auf BIM profitiert davon. Prof. Rasso Steinmann, Vorsitzender des Koordinierungskreises BIM des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und Gunther Wölfle, Managing Director bei buildingSMART Deutschland, im Gespräch über BIM, Auswirkungen der Corona-Krise und die Zukunft des Bauens. 

Hat die Corona-Krise die Vorteile von BIM gezeigt?

Rasso Steinmann: Die Frage ist ganz klar zu bejahen. Die Krise hat ja gezeigt, dass das große Thema Digitalisierung ungemein wichtig ist und BIM ist ein Teil davon.

Gunther Wölfle: Die Digitalisierung hat viele Dimensionen und für manche Unternehmen bedeutete die Krise einen Sprung ins kalte Wasser. Die Baubranche ist, was die Digitalisierung betrifft, insgesamt noch etwas zögerlich und hat daher jetzt während der Krise einen umso größeren Schritt vollzogen. Wir befinden uns mitten in der Entwicklung.

Also hatten die Unternehmen, die bereits mit BIM arbeiten, in der Krise Vorteile gegenüber den anderen?

Steinmann: Ganz eindeutig. 

Hat die Krise einen Schub in Richtung BIM gebracht?

Wölfle: Ja, für die Digitalisierung insgesamt, aber eben speziell auch für BIM. Auch vor der Krise sprachen ja viele davon, wie wichtig es sei, diese Entwicklung voranzutreiben. Aber während der Krise haben dann viele Unternehmen ihre BIMisierung viel schneller in Angriff genommen, als ursprünglich gedacht.

Steinmann: Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass es seit dem März eine große Dynamik gegeben hat. Nach einer Studie von PWC arbeiteten 2019 rund 20 Prozent der Unternehmen aus der Baubranche bereits mit BIM. Aber diese Zahlen sind ganz definitiv nicht mehr aktuell. Heute werden es erheblich mehr sein. Allerdings herrscht in vielen der Unternehmen, die noch ohne BIM arbeiten, oftmals eine ziemlich vage Vorstellung, was BIM ist und wo seine Vorteile liegen. Da muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. 

BIM kann umfassend eingesetzt werden, also nicht nur während der eigentlichen Bauphase, sondern auch vorher und nachher. Wo sehen Sie die wichtigsten Vorteile?

Steinmann: Das ist quasi die Lehrbuch-Methode. Man beginnt in der Planungsphase und bezieht den ganzen Lebenszyklus des Bauwerks ein, bis zu einem möglichen Abriss. Das kann die Arbeit ungemein erleichtern. Nehmen wir das Beispiel Asbest: Wenn es damals, als viel Asbest verbaut wurde, schon BIM gegeben hätte, dann wüsste man heute genau, wo dieses giftige Material verwendet wurde und an welchen Stellen man es herausreißen muss. BIM macht es möglich, noch Jahrzehnte später genau nachzuvollziehen, welche Baustoffe verwendet wurden. In der Praxis sind viele Unternehmen allerdings heute noch nicht so weit, weil sie noch nicht über die nötige Technik verfügen. 

Wölfle: Man kann auf diese Weise beim Abriss zum Beispiel Rohstoffe zurückgewinnen, um sie neu zu verwenden. Das schont die Ressourcen und ist umwelt-freundlich. BIM hilft auch, den vorgegebenen Zeitplan und Kostenrahmen einzuhalten. Das zeigt, dass es bei BIM sehr viel um Transparenz geht. Jeder Beteiligte weiß genau, was die anderen machen und jeder trägt die Verantwortung für seinen Aufgabenbereich. Es geht um eine Kollaboration aller an einem Bauprojekt Beteiligter auf der Grundlage eines Baumodells. Es handelt sich dabei um eine neue Form der Zusammenarbeit, vom Auszubildenden über die Sekretärin bis hin zum Unternehmenschef. Natürlich kann auch bei einem BIM-Projekt mal etwas schiefgehen, aber die Vermeidung von Fehlern ist viel einfacher.

Es gibt Unternehmer, welche die Kosten oder Komplikationen bei der Umstellung auf BIM fürchten. Was sagen sie denen?

Wölfle: Man muss zunächst einmal drei Bedingungen erfüllen: Man muss die Technologie und die ausgebildeten Mitarbeiter haben, sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen. 

Steinmann: Und wichtig ist zu verstehen, dass es BIM in unterschiedlichem Ausmaß gibt. Man muss nicht mit einer hundert-prozentigen Umstellung starten. Es kann sinnvoll sein, es erst einmal mit einem Projekt, bei dem der Zeitdruck vielleicht nicht so immens ist, zu versuchen. Mit einem solchen Pilotprojekt kann man sich mit BIM vertraut machen. Man kann nicht nach dem Lehrbuch vorgehen, jedes Unternehmen muss sich der Aufgabe individuell stellen. 

Werden sich Unternehmen, die nicht mit BIM arbeiten, noch lange halten können?

Wölfle: Bisher ist der Hochbau bei der Benutzung von BIM noch weit führend im Vergleich zum Tiefbau. Aber ich glaube, auch der Tiefbau wird in Zukunft stark aufholen. BIM ist längst keine Theorie mehr, sondern wird immer stärker in die Praxis umgesetzt. Deshalb denke ich, jedes Unternehmen aus der Baubranche sollte sich möglichst bald darauf einstellen, sonst wird es Schwierigkeiten bekommen. 

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.