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8. Jul 2025

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Wirtschaft

Standardisiert, aber nicht langweilig: Die Chancen seriellen Bauens – Im Interview mit Dr. Mathias Schäfer, Präsident des Bundesverbands Deutscher Fertigbau

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Dr. Mathias Schäfer, Präsident des Bundesverbands Deutscher Fertigbau, lebt selbst seit zwölf Jahren begeistert in einem Haus aus serieller Bauweise. Modular produzierte Häuser haben viele Vorteile – doch um die Baubranche endlich anzukurbeln, reicht es nicht aus, mehr seriell zu bauen, auch die regulatorischen Vorgaben müssen geändert werden.

Dr. Schäfer, welche konkreten Vorteile bieten serielle und modulare Bauweisen im Vergleich zum klassischen Massivbau?

Der große Vorteil des seriellen und modularen Bauens liegt in der Vorfertigung. Dabei wird ein Großteil der Arbeit von der Baustelle in Fabriken und Werkhallen verlagert, wo nach industriellen Standards geplant, produziert und qualitätsgesichert wird. Die geschützten, klimatisierten Hallen ermöglichen eine gleichbleibend hohe Qualität der Herstellung, unabhängig von Wetter und Jahreszeit, zudem können wir aufgrund der standardisierten Prozesse Kosten und Bauzeiten zuverlässig berechnen und eine hohe Preis- und Terminsicherheit bieten.

Wie viel Zeit und Kosten lassen sich denn tatsächlich durch systematisches Bauen einsparen?

Prozentual lässt sich der Vorteil schwer beziffern, man müsste wirklich ein klassisches Bauangebot direkt mit einem seriellen vergleichen, auch in Bezug auf die Ausführungsqualität. Der große Kosten- und Zeitvorteil entsteht jedoch dadurch, dass nicht alle Arbeitskräfte zur Baustelle geschickt werden müssen. Gerade bei überregionalen oder bundesweiten Projekten spart die Bündelung der Arbeiten an zentralen Standorten erhebliche Reise- und Logistikkosten.

Welche Rolle spielen denn Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz bei dieser Bauweise?

Als Präsident des Bundesverbands Deutscher Fertigbau kann ich nur betonen, dass Nachhaltigkeit von Anfang an zentral für uns war und ist. Durch industrielle Vorfertigung reduzieren wir spürbar Abfall und führen Restmaterialien direkt der Kreislaufwirtschaft zu. Gebäude entstehen mit minimalem Material- und Energieeinsatz. Zudem bündeln wir Maschinen an zentralen Standorten, was Transportwege reduziert. Kräne und Bagger werden nur für zwei bis drei Tagen auf der Baustelle benötigt. Das spart Zeit, Kosten und Emissionen.

In welchen Bereichen wird denn das serielle Bauen heute schon besonders oft angewendet?

Traditionell kommt unsere Branche aus dem Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern, und hier erreichen wir aktuell einen Marktanteil von über 26 Prozent. Das ist ein historisches Allzeithoch: Jedes vierte Haus in diesem Segment wird heute bereits seriell vorgefertigt, montiert und fertiggestellt. Obwohl Bauen meist regional ist, versorgen rund 50 produzierende Unternehmen unserer Branche ganz Deutschland, ergänzt durch weitere Anbieter. Unsere Stärken liegen in der seriellen Fertigung, im Hybridbau mit Betontragwerken und in vorgefertigten Fassaden, kombiniert mit umfassender Baustellenlogistik – perfekt für den urbanen Wohnungsbau.

Was sind die größten Hürden?

Serielles Bauen wird durch unterschiedliche Landesbauordnungen und kommunale Bebauungspläne gebremst – eine bundesweite Typengenehmigung fehlt. Das führt zu zeitaufwendigen Einzelgenehmigungen und hemmt Effizienz. Zudem erschweren traditionelle Vorschriften und das Vergaberecht für öffentliche Aufträge, die Planung und Ausführung getrennt ausschreiben, die ganzheitliche serielle Bauweise. So bleiben große Potenziale bei Kosten, Tempo und Nachhaltigkeit ungenutzt.

Wo könnte man da ansetzen?

Schneller und günstiger bauen scheitert oft an starren Vorgaben. Die Politik muss die Vergabeordnung flexibilisieren, um Planung und Bau aus einer Hand zu ermöglichen. Außerdem braucht es eine stärkere Harmonisierung der Landesbauordnungen – Gebäude sind physikalisch gleich, egal wo sie stehen. Lokale Designanpassungen bleiben möglich. Zudem sollten Kommunen Prozesse vereinfachen und digitalisieren, um serielles Bauen bundesweit effizienter zu machen.

Wie sieht es denn mit der Gestaltungsfreiheit beim modularen, seriellen Bauen aus?

Jeder Hersteller hat andere Schwerpunkte. Grundsätzlich bietet serielles Bauen aber eine enorme Gestaltungsfreiheit: Ob Putzfassade, Holzverschalung, Plattensystem, Steinapplikation oder Klinker, fast alles lässt sich auf vorgefertigte Bauelemente aufbringen, sodass Unterschiede zum klassischen Bau kaum zu erkennen sind. Unsere Mitgliedsunternehmen bieten vorgeplante Gebäudemodelle an, fertigen diese aber individuell nach den Wünschen der Bauherren. Größe, Geschosshöhe, Keller ja oder nein – all das ist flexibel. Aktuell liegt unser Schwerpunkt noch zu rund 80 - 85 Prozent im Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern für private Bauherren.

Was erwarten Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Ihrem Bereich?

Im Geschosswohnungsbau, bei kommunalen Projekten und serieller Sanierung gibt es noch riesiges Wachstumspotenzial! Die neue Bauministerin fordert schnelleres, günstigeres Bauen – wichtig auch wegen Fachkräftemangel, der nur durch Vorfertigung, Automatisierung und Robotik zu bewältigen ist. Bauen muss produktiver, effizienter und nachhaltiger werden. Unser Verband setzt dabei auf Holzbau, um CO₂ zu sparen.

Leben Sie selbst auch in einem Haus mit serieller Bauweise? Ich lebe selbstverständlich in einem seriell gebauten Haus. Wir haben vor zwölf Jahren gebaut und da kann ich sagen, ich würde es heute noch ganz genau so bauen!

Fun Facts

Dr. Mathias Schäfer ist gern in der Natur und im eigenen Garten und verbringt am liebsten Zeit mit seiner Familie. Und weil Fokussierung und Tempo nicht nur beim Bauen wichtig ist, übt Mathias Schäfer als Hobby eine der schnellsten Sportarten überhaupt aus: Tischtennis.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.