29. Sep 2022
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Wirtschaft
Journalist: Kirsten Schwieger
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Foto: Thomas Bonometti/unsplash
Keine Tierart polarisiert derzeit mehr als der Wolf. Die einen wollen das angesiedelte Tier schützen, die anderen ihre Nutztiere und Existenz.
Der Wolf ist wieder da. Nachdem er hierzulande seit Anfang des 20. Jahrhunderts als ausgerottet galt, haben Schutzmaßnahmen zu einer ansehnlichen Wolfspopulation geführt. Rund 157 Rudel, 27 Wolfspaare und 19 Einzeltiere zählte das Wolfs-Monitoringjahr 2020/2021. Ein Erfolg für den Artenschutz – und eine Katastrophe für Weidetierhalter. Denn mittlerweile vermehrt sich die Wolfspopulation jährlich um 30 Prozent. 2022 werden es schon über 2000 Tiere sein. Mit der Folge, dass auch Wolfsangriffe und -risse zunehmen. Allein im vergangenen Jahr wurden bei fast 1.000 Übergriffen an die 4.000 Nutztiere durch Wölfe gerissen oder verletzt. Am meisten betroffen sind Schafe und Ziegen, aber auch Rinder und sogar Ponys wurden bereits Opfer von Wölfen. Auch der Tourismus und indirekt sogar die Natur leiden mancherorts unter der Rückkehr des Raubtieres. Da auch Wild auf deren Speisekarte steht, bilden sich in manchen Wolfsgebieten vermehrt Rot- und Schwarzwild-Rudel, was wiederum den Baumbestand schädigt.
So ringen die verschiedenen Interessenverbände gemeinsam mit der Politik um eine Lösung dieses Konfliktes. Denn aufgrund des europäischen Naturschutzrechts steht der Wolf unter Artenschutz. Aufgrund dieser Richtlinien sieht die deutsche Bundesregierung keine rechtliche Grundlage für Wolfsjagden. Auch Tier- und Naturschutzbunde sprechen sich gegen eine Herabstufung dieses Schutzstatus aus – genauso wie gegen wolfsfreie Zonen und Quotenabschüsse. Sie fordern die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen, eine Weidetierprämie sowie unbürokratische Entschädigungszahlungen bei Rissen.
Maßnahmen, die in den Augen von Landwirten und Jägern nicht ausreichen und überdies immense Kosten generieren. Deren Interessenverbände argumentieren, dass sich Schutzjagden zur Abwehr von Wolfsangriffen auf Weidetiere mit dem europäischen Naturschutzrecht sehr wohl vereinbaren lassen. Frankreich und Schweden machen es vor, indem sie den Wolfsbestand bereits erheblich regulieren. Hiesige Interessenverbände fordern deswegen die Herabstufung des Schutzstatus und damit einhergehend ein Bestandsmanagement mit festgelegten Entnahmequoten sowie die Übernahme des Wolfes in das Bundesjagdgesetz. Ihnen reicht die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahr 2020 nicht aus, welche die Entnahme „problematischer“ Wölfe erleichtert hat. Durch sie erhalten Nutztierhalter eine Abschussgenehmigung, wenn ihnen ernste wirtschaftliche Schäden drohen – so lange, bis es keine Angriffe auf ihre Nutztiere mehr gibt.
Auch bei einer Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht wären Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss immer noch nötig. Dennoch würde mit damit eine Grundlage geschaffen, um bundesweit gültige Managementmaßnahmen für die Entnahmen von Wölfen zu erarbeiten. So haben Verbände und Wildbiologen ein Modell für das zukünftige Bestandsmanagement der Wölfe vorgeschlagen. Basierend auf einer prozentualen Unter- und Obergrenze würde ein Akzeptanzbestand errechnet, aus dem sich eine Entnahmequote ergibt. Das Land Niedersachsen hat den Wolf im Mai dieses Jahres ins Jagdrecht aufgenommen, nachdem es im vergangenen Jahr über vier Millionen Euro für den Schutz von Weidetieren vor Wölfen ausgegeben hat.