7. Okt 2020
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Wirtschaft
Journalist: Jörg Wernien
Die Bundesrepublik Deutschland steht an einer entscheidenden Stelle, sie stellt jetzt die Weichen für die Nutzung des Energieträgers Wasserstoff. Es soll ein sauberes Zeitalter werden. Wir haben mit Frau Dr. Christiane Averbeck von der Klima-Allianz Deutschland über die neue Zukunft von H2 gesprochen.
Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist aufwändig, ineffizient, ressourcenintensiv und teuer – was auch langfristig so bleiben wird. Kurz- bis mittelfristig steht grüner Wasserstoff nur in sehr geringen Mengen zur Verfügung, weil schlicht-weg die nötigen erneuerbaren Energien fehlen. Andere Klimaschutztechnologien sind daher stets zu priorisieren. Allen voran heißt das: Einsparung und Effizienz. Wo immer möglich, müssen erneuerbare Energien in Form von Strom direkt genutzt werden. Wasserstoff im PKW- und Wärmebereich sind ein klimapolitischer Irrweg. Erst in Bereichen, wo direkte Stromnutzung nicht möglich ist, kommen der grüne Wasserstoff und seine Folgeprodukte ins Spiel.
Ja! Wer von grünem Wasserstoff spricht, darf nicht von den erneuerbaren Energien schweigen, sie sind das Rückgrat eines klimaneutralen Energiesystems. Dementsprechend braucht es einen schnelleren und ambitionierteren Ausbau, weit über die jetzigen Ziele hinaus.
Einen großen Teil des benötigten Wasserstoffs werden wir importieren. Aus ökonomischer Sicht scheinen Länder mit geringen erneuerbaren Stromkosten, beispielsweise Marokko, gut geeignet. Allerdings müssen solche Vorhaben in erster Linie der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Ein Beispiel: Der Afrikabeauftragte der Kanzlerin Günther Nooke (CDU) versucht aktuell, die Produktion von grünem Wasserstoff für den deutschen Markt in der Demokratischen Republik Kongo anzuschieben. Dafür soll der Riesenstaudamm Inga 3 gebaut werden, was jedoch zu Zwangsumsiedlungen sowie enormen ökologischen Schäden vor Ort führen und weder Strom noch Jobs für die lokale Bevölkerung schaffen würde. Es kommt also darauf an, wie die künftigen Projekte und Import-Export-Beziehungen ausgestaltet sind. Dafür gilt es, ambitionierte Nachhaltigkeitsstandards für die Produktion von grünem Wasserstoff zu entwickeln und umzusetzen, Kooperationen auf Augenhöhe einzugehen und dabei lokale Zivilgesellschaft und KMUs mitzunehmen und zu stärken.
In Deutschland brauchen wir bis 2030 mindestens 75 Prozent erneuerbare Energien. Für den Wasserstoff als globales Handelsgut brauchen wir EU-weit einheitliche, klare und strikte Nachhaltigkeitsstandards und Herkunftsnachweise. Und es müssen jetzt schon international abgestimmt die Transport-Infrastrukturen aufgebaut werden.
2030 wird sich entscheiden, ob wir die Pariser Klimaziele einhalten können. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die EU und Deutschland 2030 ihre – im Jahr 2020 auf 65 Prozent erhöhten, Klimaziele – vorrangig durch Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien einhalten konnten. Zwar spielte Wasserstoff bis dahin kaum eine Rolle, durch vorausschauende Planung sind jedoch die Weichen so gestellt, dass er einen Beitrag zur Emissionsminderung und zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands leisten kann.