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27. Jun 2025

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Wirtschaft

„Die Finanzierung ist die Gretchenfrage“ – mit Eric Bussert, Vorstandsmitglied Vertrieb & Marketing, HanseMerkur Gruppe

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse, cottonbro studio/pexels

Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen, aber mit moderner Technologie und Kreativität sind sie lösbar.

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Eric Bussert, Vorstandsmitglied Vertrieb & Marketing, HanseMerkur Gruppe

Deutschland verfügt über ein Gesundheitssystem, das im internationalen Vergleich einen hohen Standard aufweist. Die medizinische Qualität und die Verfügbarkeit von medizinischen Dienstleistungen haben ein hohes Niveau, und das gilt sowohl für die Mitglieder der gesetzlichen wie auch der privaten Krankenkassen bzw. Versicherungen. Aber das System ist schon lange an den Grenzen seiner Finanzierbarkeit angelangt, denn die demografischen Rahmenparameter, die bei der Einführung galten und darauf basierten, dass jede Familie im Durchschnitt zwei Kinder bekommt, haben sich dramatisch geändert. Die neue Bundesregierung muss diese Frage nachhaltig angehen, um das Thema Finanzierbarkeit und zusammenhängend damit die Generationengerechtigkeit zu sichern. „Ohne eine Senkung der Kosten wird das nicht funktionieren“, sagt Eric Bussert, Holdingvorstand beim privaten Krankenversicherer HanseMerkur.

Herr Bussert, wie bekommt man aber eine Kostendämpfung hin? Die Frage der Kostensenkung ist die Gretchenfrage des gesamten Systems. Der Staat muss es mit Milliarden unterstützen und wenn man sich anschaut, dass Mitglieder der gesetzlichen Versicherungen bis zu 1.200 Euro im Monat zahlen müssen, dann schwächt das auch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit, denn die Hälfte der Summe muss der Arbeitgeber ja drauflegen. Wie können wir also sparen? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass wir auf der Leistungsseite ansetzen müssen. Es ist einfach nicht mehr darstellbar, dass viele Menschen Leistungen in Anspruch nehmen, die es auch niedrigschwelliger und damit kostengünstiger gibt. Hinzu kommt das Thema Praxisgebühr. Sie würde Patienten zu mehr Selbstverantwortung bewegen. Und ein ganz wesentliches Thema ist die Digitalisierung medizinischer Leistungen. Sie sollten in Zukunft der erste Schritt sein. Nur, wenn sie nicht ausreichen, sollte man zu ambulanten oder zu stationären Leistungen übergehen. Das ist ein Ansatz, mit dem viele Kosten gespart werden können – und außerdem würde er auch dem Ärztemangel entgegenwirken und die Auslastung des Systems senken.

Was ist mit dem Thema Prävention? Das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Aspekt. Gerade wir als private Krankenversicherung legen auf das Thema Prävention sehr großen Wert und wollen es in Zukunft auch noch weiter in den Vordergrund rücken. Es ist ja nicht nur für die Patienten besser, wenn sie medizinische Leistungen gar nicht oder in geringerem Maße in Anspruch nehmen müssen, weil sie Vorsorge betreiben, sondern es ist auch deutlich kostengünstiger, die Prävention zu zahlen statt eine aufwendige Behandlung, die vielleicht vermeidbar gewesen wäre.

Es ist einfach nicht mehr darstellbar, dass viele Menschen Leistungen in Anspruch nehmen, die es auch niedrigschwelliger und damit kostengünstiger gibt.

Das sind allerdings eher mittel- und langfristige Lösungsansätze. Sehen Sie auch Kurzfristige? Da gibt es sogar eine ganze Reihe, und zwar im medizintechnischen Bereich. Hier hat es in den vergangenen Jahren unglaubliche Fortschritte gegeben. Es gibt zum Beispiel neuerdings das Mini-EKG-Gerät „dpv-ritmo“, welches Kunden der HanseMerkur nach Hause geschickt bekommen und selbstständig nutzen können, ohne zum Kardiologen gehen zu müssen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und kardiologischer Validierung erstellt es über 72 Stunden ein detailliertes EKG. Das spart Kosten und Aufwand. Und das ist nur ein Beispiel für die immer größer werdende Zahl von niedrigschwelligen Möglichkeiten aus dem Bereich der Medizintechnologie. Wir werden an dieser Stelle in den kommenden Jahren noch sehr viele spannende Neuheiten erleben, die in der Summe sehr kostengünstig sind.

Es gibt immer mal wieder die Forderung nach einer Bürgerversicherung, also dem Ende der privaten Krankenversicherung. Wäre das auch ein Weg zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich dem Gesundheitswesen stellen? Wenn man das System zukunftsfähig machen möchte, wäre das genau der falsche Weg. In Deutschland wird leider oft sehr ideologisch und nicht praktisch über diese Frage diskutiert, aber klar ist doch, dass weder die gesetzlichen noch die privaten Krankenversicherungen die Herausforderungen allein bewältigen können. Die Stärke des dualen Systems besteht gerade darin, dass die Privaten, die ja etwa zehn Prozent des Gesamtvolumens ausmachen, Innovationen und Leistungen zum Beispiel in der schon erwähnten Medizintechnologie erbringen können, die den Gesetzlichen gar nicht möglich sind – und davon profitieren schließlich auch die gesetzlich-versicherten Patienten. Gerade mit Blick auf die wichtigen Themen Vorsorge und Prävention spielen wir Privaten eine ganz entscheidende Rolle – zum Wohle aller.

Gerade mit Blick auf die wichtigen Themen Vorsorge und Prävention spielen wir Privaten eine ganz entscheidende Rolle – zum Wohle aller.

Müssten beide System nicht enger verzahnt werden? Da geht schon einiges, aber tatsächlich gibt es auch noch Luft nach oben. Es wäre zielführend und vor allem im Interesse der Patienten, wenn beide System enger zusammenrücken würden, wenn sie zum Beispiel gemeinsam Leistungen abrechnen dürften. Das ist heute noch zu kompliziert.

Sind Sie optimistisch, dass die Herausforderungen des Gesundheitssystems gelöst werden? Deutschland hat sich immer wieder als kreativ erwiesen, wenn es Lösungen finden musste – deshalb bin ich auf jeden Fall optimistisch.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.