10. Dez 2025
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Lifestyle
Journalist: Julia Butz
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Foto: Nils Hasenau
Tim Raue, der zu den renommiertesten Spitzenköchen Deutschlands zählt, im Interview.
Mit dem Restaurant Tim Raue in Berlin hält Tim Raue seit nunmehr zwölf Jahren zwei Michelin-Sterne; hat viele weitere Auszeichnungen erhalten und verantwortet weitere Restaurants in München, Konstanz, Berlin sowie auf einer Kreuzfahrt-Flotte. Neben seiner Tätigkeit als Koch und Gastronom ist er als Jury-Mitglied und Gastkoch in verschiedensten TV-Formaten präsent. In diesem Jahr eröffnete er sein neues Projekt „Sphere by Tim Raue“ im Berliner Fernsehturm, in dem er regionale Küche modern interpretiert.
Herr Raue, was macht Ihrer Meinung nach, erfolgreiche Gastronomiebetriebe heute aus – sowohl in der Spitzenklasse als auch im Mainstream? Erfolgreiche Gastronomiebetriebe unterscheiden sich zwar in Details, bauen meiner Meinung nach aber auf denselben Fundamenten auf: Identität, Marke, Effizienz und vor allem Konstanz. In der Spitzenklasse heißt das: eine unverwechselbare Handschrift, kompromisslose Produktqualität, Perfektion im Service und eine gewisse Dramaturgie des Menüs – jeder Gang muss seinen Platz haben und in sich stimmig sein. Im Mainstream heißt Erfolg: betriebswirtschaftliche Klarheit, hohe Frequenzfähigkeit, Skalierbarkeit und gleichbleibende Qualität, auch an Tagen mit hohem Gästeandrang. Ich beobachte, dass viele Restaurants heute ihre Marke stärker denken: Ein Haus mit einer Geschichte, mit erkennbarem Profil, das nicht nur gutes Essen verkauft, sondern ein Erlebnis. In dieser Hinsicht ist der Sprung von der reinen Handwerksküche zur marktfähigen Marke oft entscheidend.
Wie hat sich Ihr Küchenstil seit der Eröffnung Ihres Restaurants TIM RAUE weiterentwickelt bzw. über die Jahre verändert? Als wir 2010 eröffneten, war mein Ansatz intensiver, „lauter“, ich wollte bewusst mit den Aromen provozieren. Heute ist meine Küche fokussierter und balancierter, aber nach wie vor geprägt vom Dreiklang „Süße, Säure und Schärfe“. Darüber hinaus haben wir bereits 2019 ein veganes Menü etabliert und waren eines der ersten deutschen Restaurants, das diesen Schritt gewagt hat. Seit einigen Jahren ist zusätzlich unser „Kolibri x Berlin“-Menü bei uns eingezogen: eine Hommage an unsere Heimatstadt Berlin, bei der ich die Küche meiner Großmutter mit meiner Aromen-Handschrift kombiniere.
Heute ist meine Küche fokussierter und balancierter, aber nach wie vor geprägt vom Dreiklang „Süße, Säure und Schärfe“.
Wie nehmen Sie die Preissensibilität der Kunden wahr? Muss Gastronomie wieder günstiger werden oder wären z. B. Kulturzuschüsse für Spitzenrestaurants eine sinnvolle Unterstützung? Ich nehme sehr deutlich wahr, dass Gäste sensibler werden. Die Inflation, steigende Energie- und Produktkosten, das Bewusstsein für Budgetgrenzen, … all das führt dazu, dass man öfter reflektiert: „Lohnt sich dieser Aufwand?“ Ein Restaurant kostet enorm viel Kraft und das heißt: Das Modell muss wirtschaftlich funktionieren. Gastronomie einfach wieder „günstiger“ zu machen, ohne Kostenstrukturen zu verändern, halte ich für nicht realisierbar. Die Kosten sind real und steigen seit Jahren massiv. Ich würde die Gastronomie nicht spalten, die Reduzierung der Steuer für Essen auf 7 Prozent zu senken, kommt allen zugute, den Gastronomen und Gastronominnen sowie allen Gästen.
Welche Auswirkungen hat es für Sie und Ihr Team, dass Ihr Restaurant in diesem Jahr aus den Top 50 der 50-Best-Liste gefallen ist? Der Rückfall in der World’s 50 Best war eine Schlagzeile, aber für uns kein existenzielles Urteil. Die Liste basiert darauf, die aufregendsten Restaurants des Planeten zu nennen. Es ist also eine schnelllebige Liste, auf der man ein paar Jahre präsent sein kann. Wir haben es immerhin neun Jahre am Stück geschafft. Nun ist die nächste Generation dran. Es gibt andere Auszeichnungen, wie die zwei Sterne im Guide Michelin und die Chef’s Table Episode auf Netflix. Alles hat seine Zeit – unsere auf dieser Liste war überdurchschnittlich lange und wir sind sehr dankbar dafür.
Streben Sie noch immer den dritten Michelin-Stern an? Es spielt keine Rolle, was wir möchten, denn in dem Fall wird man von außen bewertet. Das erinnert an die Schulzeit: Es ist sinnlos, dem Lehrer erklären zu wollen, dass man sich selbst eine Note 2 geben würde. Wenn der Lehrer dir eine 4 gibt, dann hast du das zu akzeptieren. Die Guides sind einer von vielen Kanälen, die uns Gäste bringen – aber es ist wichtig, jeden Gast zu begeistern, um ihn wieder willkommen heißen zu können.
Gastronomie einfach wieder „günstiger“ zu machen, ohne Kostenstrukturen zu verändern, halte ich für nicht realisierbar.
Mit nur 23 Jahren wurde Tim Raue zum Küchenchef – eine Leistung, die seinen unermüdlichen Ehrgeiz und sein Talent bis heute zeigt. Mit einem wachsenden Restaurantimperium, TV-Auftritten, Kochbüchern und Auszeichnungen lebt er sein Mantra: Sei der Beste oder gar nichts.