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7. Jul 2022

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Business

„Die ganze Wertschöpfungskette im Blick“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

Um die Autoindustrie nachhaltig zu machen, müssen Produkte und Produktion 'grün' werden, erklärt Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Mercedes Benz-Group AG.

Die Entwicklung hin zur Elektro-Mobilität ist nicht mehr zu stoppen. Begrüßen Sie das oder sehen Sie darin eine Belastung für die deutsche Autoindustrie?

Elektro-Mobilität ist der Weg in die Zukunft, daran kann kein Zweifel bestehen. Als Autobauer haben wir bei Mercedes den Anspruch, die technisch besten, begehrenswertesten und luxuriösesten Elektroautos der Welt zu entwickeln.

Welches sind denn die größten Herausforderungen auf dem Weg zum klimaneutralen Auto?

Elektroautos werden sich weltweit in unterschiedlichem Tempo durchsetzen. Autohersteller müssen in den kommenden Jahren also sehr verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Das bedeutet einerseits große Investitionen in neue Technologien, um unseren Kunden ein attraktives Angebot zu machen. Andererseits ist es entscheidend, dass wir dabei eine angemessene Kostenstruktur erreichen.

Wie sehen Ihre Ziele aus?

Wir wollen 2030 vollelektrisch sein, wo immer das die Marktbedingungen zulassen. Ab 2025 werden alle unsere neuen Fahrzeug-Architekturen ausschließlich elektrisch sein. Unsere Kundinnen und Kunden werden dann für jedes Modell eine vollelektrische Alternative zur Auswahl haben.

Manche Autofahrer schreckt noch die Reichweite der E-Autos ab. Können Sie sie beruhigen?

In diesem Bereich hat sich zuletzt wahnsinnig viel getan. Mit unserem EQS haben wir bereits den Reichweiten-König in unserem Portfolio: Mit einer Batterie-Ladung schafft er bis zu 784 km nach WLTP. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Mit unserem VISION EQXX wollten wir Grenzen sprengen – wir haben ihn bis ins Detail auf Effizienz getrimmt. Das Ergebnis: bis zu 1.000 Kilometer ohne Nachladen.

Sie haben es erwähnt, um die E-Mobilität voranzutreiben, ist viel Innovation und Forschung nötig. Wo liegt aktuell der Fokus?

Es sind sehr große Investitionen notwendig, um das Ziel zu erreichen. Das fängt bei den neuen Elektro-Architekturen an. Ebenso sind neue Elektromotoren nötig. Wir beispielsweise investieren bis 2030 rund 40 Milliarden Euro in batterieelektrische Fahrzeuge, arbeiten an einem modularen Batteriesystem sowie der Optimierung der Elektronik zur Steuerung der Batterien, denn auch das hat Einfluss auf deren Reichweite und Lebensdauer. Ein Ziel ist es auch, die Energiedichte zu erhöhen – und damit die Reichweite der Fahrzeuge.

Klimaneutral fahrende Autos sind nur die eine Seite. Die andere ist, sie auch klimafreundlich zu produzieren. Müssen die Herstellungsverfahren geändert werden – Stichwort „grüner Stahl“?

Tatsächlich muss man sich die gesamte Wertschöpfungskette anschauen – von der Entwicklung bis zum Recycling. Dazu gehört, gemeinsam mit den Lieferanten an einer grünen Stahl-Lieferkette zu arbeiten. Entscheidend ist dabei, nicht einfach den CO2-Fußabdruck zu kompensieren, sondern Emissionen aktiv zu vermeiden. Übrigens gilt das natürlich auch für andere Bereiche der Lieferkette, beispielsweise Batteriezellen, Kunststoffe oder Aluminium. Das sind Aufgaben, an denen wir arbeiten.

Und wie lautet das zeitliche Ziel?

Im Rahmen unserer „Ambition 2039“ haben wir uns dazu verpflichtet, Mercedes-Benz bis 2039 klimaneutral zu machen. Unsere eigenen Werke produzieren schon ab diesem Jahr CO2-neutral.

Welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft?

Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt. Das Ziel ist, den Anteil an recycelten Materialien stetig zu erhöhen. Zum Beispiel evaluieren und planen wir gerade den Bau einer Batterierecyclingfabrik im badischen Kuppenheim.

Wie können die Zulieferer in die Umstellung eingebunden werden? Drohen Unternehmen, auf der Strecke zu bleiben?

Klar ist, dass das Thema partnerschaftlich angegangen werden muss. Es stimmt, dass die Lieferanten um das Thema CO2 nicht herumkommen – die Mercedes Benz Group hat es beispielsweise zu einem zentralen Vergabekriterium gemacht. Allerdings ziehen sehr viele Lieferanten mit und unterstützen diesen Kurs: Lieferanten, die für mehr als 90 Prozent unseres jährlichen Einkaufsvolumens stehen, haben bereits zugestimmt, dass sie uns künftig nur noch mit CO2-neutralen Produkten beliefern wollen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.