27. Nov 2025
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Wirtschaft
Journalist: Gunnar von der Geest
Auch in der Milchwirtschaft nehmen Automatisierung und Digitalisierung zu. Laut Umfragen erwägt mehr als die Hälfte der Viehhalter den Kauf eines Melkroboters.
Wenn Milchkühe sich etwas wünschen dürften, wären dies wohl saftige Weiden mit Bergblick, viele freundliche Artgenossen, regelmäßige Streicheleinheiten – und möglichst wenig Stress beim Melken. Landwirte hätten gegen derlei Werbefilm-Romantik gewiss nichts einzuwenden, doch ihre tägliche Arbeit ist zunehmend geprägt von Fachkräftemangel, Bürokratie und dem Druck, wichtige Entscheidungen treffen zu müssen, um in puncto Automatisierung und Digitalisierung wettbewerbsfähig zu sein. Der gemeinsame Wunsch, auf den sich Mensch und Tier vermutlich schnell verständigen könnten, lautet: mit modernen Melkrobotern sowohl die Effizienz und Flexibilität des Betriebes als auch das Tierwohl zu steigern. Die Agrarstrukturerhebung aus dem Jahr 2023 weist für automatische Melksysteme 8.830 Unternehmen aus; dies entspricht etwa 19 Prozent der rund 46.600 deutschen Milchkuhbetriebe mit ihren rund 3,8 Millionen Tieren. Tendenz steigend, denn: Für Landwirte bieten die Roboter erhebliche Erleichterungen. Statt festgelegter, häufig früher Melkzeiten im oftmals kleinen Team lassen die Hightech-Geräte dem Milchvieh den eigenständigen Zugang in die geräumige Box ohne längere Wartezeit – und entlasten so deutlich den eng getakteten Arbeitsalltag des Personals. Innovatives Equipment der neuesten Generation hält darüber hinaus ein konstantes, voreingestelltes Vakuum an der Zitzenspitze aufrecht. Dies führt zu einem besseren Melkerlebnis ohne Irritationen für die Kuh und zu einer Verkürzung der Melkzeit. Manche Systeme reinigen Euter und Zitzen vor dem Andocken, was Hygiene und Komfort steigert. Gleichzeitig ermöglicht „Kollege“ Computer eine umfangreiche Datenerfassung: Milchleistung, Zellzahlen, Temperaturniveau – all das fließt in digitale Herden-Managementsysteme ein. Dies sorgt für eine bessere Tierüberwachung und frühere Erkennung von Krankheiten (z. B. Mastitis), reduziert aber auch die Vielzahl unnötiger Antibiotika-Behandlungen. Außerdem lernen KI-basierte Systeme ständig dazu, sodass sich mit jedem Melkvorgang eine kontinuierliche Steigerung der Leistung bzw. Effizienz erzielen lässt. Darüber hinaus bietet die Robotik neben der zeitlichen vor allem räumliche Flexibilität, denn im Vergleich zu einem Melkstand benötigt ein automatisches Melksystem deutlich weniger Platz im Stall.
Dennoch ist der Einsatz von Melkrobotern kein Selbstläufer, vor allen nicht für Kleinbetriebe. Letztlich ist jeder Landwirt gefordert, sich an seinen „Rechner“ zu setzen, um genau zu ermitteln, wann die Gewinnschwelle (Break-even) erreicht sein wird. Zu den Anschaffungskosten im meist sechsstelligen Bereich kommen oftmals höhere Investitionen in einen Umbau, um die neue Technik bestmöglich in bestehende Tools integrieren zu können. Darüber hinaus fallen Wartung, Software-Updates und gegebenenfalls Service-Dienstleistungen an. Branchen-Experten sind sich jedoch einig: Langfristig geht die Rechnung auf – für Mensch und Tier.