23. Okt 2025
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Business
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse, Kit/unsplash
Thomas Kehl ist Mitgründer & Geschäftsführer der Finflow GmbH und das Gesicht der Plattform Finanzfluss. Er rät, sich um sein Geld mindestens genauso gut zu kümmern wie um seine Gesundheit – und sich dabei nicht auf andere zu verlassen.
Thomas Kehl, Co-Founder Finanzfluss
Thomas, was bedeutet Geld für dich persönlich?
Auf Englisch würde man sagen, es ist ein Enabler, also sozusagen ein Möglichmacher. Ich glaube, es gibt so verschiedene Stadien. Am Anfang ist Geld überlebenswichtig. Später wird es dann zum Ermöglicher, dann vielleicht zum Luxusgut, und schlussendlich zur Belastung, um ja nichts davon zu verlieren. Ich persönlich finde, dass ich mir damit Freiheiten erspare.
Welches war deine wichtigste Freiheit, die du dir erspart hast?
Es sind ganz viele kleine (lacht): Erstens, genug Rücklagen zu haben, um einen Job kündigen zu können, und dann mit diesen Rücklagen etwas Eigenes zu starten. Zweitens, die Möglichkeit zu haben, mir hier in Berlin mit meiner Frau ein Eigenheim zu finanzieren, und damit unseren Lebensstandard selbst festsetzen zu können. Außerdem finde ich es sehr befriedigend, auch meine Familie hier und dort finanziell zu unterstützen.
Warum sollten sich Menschen in Deutschland mehr mit Geld beschäftigen?
Man hat keine Wahl sich mit Geld zu beschäftigen oder nicht, weil es überall eine Rolle spielt. Deswegen ist es genauso omnipräsent wie das Thema Gesundheit. Mit der eigenen Gesundheit muss man sich auch beschäftigen, ansonsten zahlt man die Rechnung dafür. Und Geld ist ein Thema, was man eigentlich nicht outsourcen kann. Banken und Vermittler beraten nach ihren eigenen Interessen, deshalb muss man sich selbst darum kümmern und sich damit beschäftigen.
Ab wann sollte man spätestens damit anfangen, Geld für eine Wohnung und/ oder fürs Alter zurücklegen?
Entweder so früh wie möglich, um mit geringen Beträgen Erfahrungen zu sammeln, auch negative. Oder aber beim Berufseinstieg starten. Der Gehaltssprung ist dann meist groß, die Lebenshaltungskosten gering. Damit kann man früh eine solide Sparrate etablieren.
Du empfiehlst dazu regelmäßig ETFs wie den MSCI World. Gehst du davon aus, dass diese breit gestreuten ETFs weiterhin so gut performen, wie sie die letzten zehn Jahre performt haben?
Aus vergangener Stärke und vergangenen Renditen kann man nicht die Zukunft ableiten. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir langfristig eine positive Realrendite haben werden, also Rendite abzüglich Inflation – und das kann man nicht für alle Anlageklassen sagen! Ob es allerdings künftig sieben Prozent Rendite wie im historischen Schnitt eines Welt-ETFs gibt, lässt sich schwer vorhersagen.
Wer am Anfang des Monats spart, der bezahlt sich selbst zuerst. Und tut sich selbst etwas Gutes, indem er sich ein Polster aufbaut.
Wie sollte man zukünftig US- und Euro-Anteilen im ETF-Portfolio gewichten?
Die Ländergewichtung in ETFs wird wieder immer wieder debattiert. Früher ging es um China, jetzt um die USA, vor allem wegen des hohen US-Anteils von rund 70 Prozent im MSCI World. Rückblickend war das gut, da vor allem US-Techwerte stark performt haben. Künftig könnten jedoch auch europäische Märkte an Bedeutung gewinnen, da sich derzeit viele Private Equity Investoren in Europa umsehen. Aber niemand kann die Entwicklung vorhersehen. Ein gängiger Regelansatz beim Investieren ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung, also danach, welchen Börsenwert Unternehmen in verschiedenen Ländern haben. Der zweite Ansatz besagt, sich am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu orientieren, weil das die tatsächliche Wirtschaftskraft eines Landes besser abbildet. Deutschland ist wirtschaftlich stark, hat aber wenig börsennotierte Firmen, würde also bei dem BIP-Ansatz stärker gewichtet. Man kann auch beide Ansätze kombinieren. Wichtig ist, sich für eine Regel zu entscheiden und konsequent dabei zu bleiben, um sich nicht ständig von neuen Schlagzeilen zu kurzfristigen Anpassungen verleiten zu lassen.
Wie beurteilst du die Faustformel „100 minus Anzahl seiner Lebensjahre sollten in Aktien investiert werden, der Rest in Anleihen“?
Das klassische 60/40-Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen funktioniert heute nur bedingt. Anleihen haben in den letzten Jahrzehnten oft underperformt. Anleihen sind daher kein Muss, als Alternative bieten sich Tagesgeld oder Geldmarktfonds an. Ich warne allerdings wirklich vor Hochzinsanleihen („Junk Bonds“) oder riskanten Staatsanleihen außerhalb des Euroraums, sie bringen unnötiges Risiko ins Portfolio. Zudem sind Anleihen oft komplexer als Aktien. Der Anlagehorizont ist außerdem wichtiger als das Lebensalter. Was man erst in 15 Jahren oder später benötigt, kann ja – bei entsprechender Risikotoleranz – auch nach Renteneintritt in Aktien investiert bleiben, man muss ja nicht alles auf einmal entnehmen.
Wie sinnvoll findest du Investments in Schweizer Franken oder US- Dollar?
Bei Währungen sind Chancen und Risiken symmetrisch, hier bedeutet ein Gewinn auf der einen Seite, einen Verlust auf der anderen. Das kann gut laufen, wie z. B. beim starken US-Dollar vor der Zinswende, oder eben auch schlecht, wenn der Dollar wieder schwächelt.
Wie würdest du 50.000 € anlegen?
Das hängt davon ab, ob ich das Geld mittelfristig brauche, etwa für eine Immobilie und zweitens, ob ich Rücklagen habe. Die 50.000 Euro sollten zusätzlich zur Notfallreserve da sein. Wenn das geklärt ist und der Anlagehorizont langfristig ist (z. B. für die Rente), dann spricht viel für Aktien-ETFs: breit gestreut, günstig, einfach. Wer sein Geld zehn bis 15 Jahre lang nicht braucht und auch mit Schwankungen umgehen kann, kann hier den ganzen Betrag investieren.
Noch ein Tipp fürs Mindset?
Ich finde es gut, sich selbst zuerst zu bezahlen. Wer am Anfang des Monats spart, der bezahlt sich selbst zuerst. Und tut sich selbst etwas Gutes, indem er sich ein Polster aufbaut.