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16. Okt 2025

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Business

Finanz- und Steuerarbeit im KI-Zeitalter

Journalist: Julia Butz

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Foto: Sora Shimazaki/pexels

Vom Verwalter zum Gestalter: KI schafft neue Freiräume für strategische Wertschöpfung und individuelle Beratung.

Immer komplexere Regulierungen erfordern höchste Präzision, während gleichzeitig erfahrene Steuer- und Finanzfachkräfte nach und nach in den Ruhestand gehen. Zwar rückt junger Nachwuchs nach, doch die Zahl reicht nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Diese Entwicklung stellt Steuer- und Finanzkanzleien vor große Herausforderungen: Einerseits müssen sie mit weniger Arbeitskraft steigenden Anforderungen gerecht werden, andererseits droht wertvolles Erfahrungswissen verloren zu gehen.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz beginnt genau dort, wo repetitive und fehleranfällige Aufgaben anfallen. Indem diese Aufgaben automatisiert werden, bleibt Steuer- und Finanzexperten mehr Zeit für die Betreuung der Mandanten und die aktive Mitgestaltung von Zukunftsthemen – und der Beruf selbst gewinnt an Attraktivität: KI ermöglicht ihnen, sich auf komplexe Fragestellungen zu konzentrieren und innovativ zu agieren; Arbeitsinhalte werden abwechslungsreicher, anspruchsvoller und sinnstiftender. Wer im Job weniger mit monotoner Datenerfassung und mehr mit strategischen Fragestellungen befasst ist, erlebt das Berufsfeld attraktiver und spannender.

Wer im Job weniger mit monotoner Datenerfassung und mehr mit strategischen Fragestellungen befasst ist, erlebt das Berufsfeld attraktiver und spannender.

Mit dem Ausscheiden erfahrener Fachkräfte droht zudem häufig der Verlust von Erfahrungswerten, die in keiner Datenbank stehen. Künstliche Intelligenz setzt genau hier an. Denn neben der Übernahme zeitaufwendiger Routinearbeiten, liegt ein wesentlicher Vorteil der KI in der Fähigkeit, wertvolles Fachwissen digital zu konservieren und verfügbar zu machen. Informationen, Prozesse und Best Practices werden zentral dokumentiert und ausgewertet, sodass sie nicht allein an einzelne Personen gebunden sind. KI-Systeme, die Workflows, Fälle und Entscheidungen dokumentieren und zugänglich machen, dienen als digitales Gedächtnis. Dadurch reduzieren sich Wissenslücken bei Personalwechseln und die Einarbeitung jüngerer Kollegen wird effizienter. Kanzleien können ihre Expertise langfristig sichern und unabhängig von individuellen Laufbahnen weiterentwickeln – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.

Trotz der Chancen bleiben Fragen offen: Wie transparent und nachvollziehbar sind die Entscheidungen, die KI-Systeme treffen? Woher stammen die Informationen, mit denen die KI ‚gefüttert‘ wurde, auf welche Quellen bezieht sie sich? Was für die generelle Nutzung für private Zwecke gilt, ist für den Finanz- und Steuerbereich für Vertrauen und Compliance entscheidend: Unternehmen, Berater und Behörden müssen sicherstellen, dass KI-gestützte Prozesse überprüfbar bleiben und Datenschutzrichtlinien konsequent eingehalten werden.

Wie in vielen anderen Branchen und Tätigkeiten gilt: KI wird auch die Finanz- und Steuerbranche nicht ersetzen, aber sie wird sie grundlegend verändern. Effizienzsteigerung und Fehlerreduktion gehören zu den sichtbarsten Vorteilen. Noch entscheidender ist jedoch, dass Fachkräfte durch KI unterstützt werden und mehr Zeit für strategische Beratung und komplexe Fälle haben. Damit wandelt sich die Rolle des Steuerberaters wie auch des Finanzexperten – weg vom reinen Verwalter, hin zum Gestalter.

Denn neben der Übernahme zeitaufwendiger Routinearbeiten, liegt ein wesentlicher Vorteil der KI in der Fähigkeit, wertvolles Fachwissen digital zu konservieren und verfügbar zu machen.

Factbox

75 Prozent der Steuerkanzleien und bis zu 95 Prozent der Großkanzleien setzen KI-Tools bereits ein, vor allem zur Automatisierung von Routineaufgaben und Prozessoptimierung. 94 Prozent der Kanzleien sehen Digitalisierung und KI als Top-Management-Aufgabe. Quelle: Lünendonk-Studie 2025 „Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung in Deutschland“ (August 2025)