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29. Sep 2022

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Wirtschaft

„Die große Stunde der Biomasse“

Journalist: Lotta Jachalke

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Foto: Jan Nijman/Pixabay

Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, verrät, warum Biogas die entscheidende Rolle bei der Energieversorgung der Zukunft spielt.

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Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas; Foto: Presse/Fachverbandes Biogas

Biogas ist ein brennbares Gas, dass bei der Vergärung von Biomasse entsteht. Wie entwickelte sich die Branche in der Vergangenheit?

Wir haben einen langen Weg hinter uns. Am Anfang wollten wir einen hervorragenden Dünger haben, der keine Fäulnisprozesse im Boden fördert. Dann kam die Idee der Abfallverwertung, und schließlich haben uns die Förderrichtlinien in Deutschland dazu gebracht, das Gas zu verstromen. Ein zweiter Entwicklungspfad ist die Gaseinspeisung: Wir bereiten das Gas auf Erdgasqualität auf und speisen es dann in das Gasnetz ein.

Welche Rolle spielt Biogas bei der Energiewende?

Für eine erfolgreiche Energiewende ist die Biogastechnologie unerlässlich. Wir werden die Sachen übernehmen, die andere nicht können: Im Strombereich die sichere, bedarfsgerechte Versorgung und im Biomethanbereich die Bereitstellung von Kraftstoff für LKWs. In Zukunft werden wir auch Schiffe und Flugzeuge antreiben.

Dabei verwerten wir organische Masse, die zuvor CO2 aus der Atmosphäre gebunden hat. Wenn wir sie im Motor verbrennen, wird das gleiche CO2 wieder freigesetzt. Klimafreundlicher, mit negativen Emissionen, ist die Gewinnung, wenn wir Abfälle vergären. Darüber hinaus gibt es ein großes ungenutztes Potential: Gülle und Mist aus der Landwirtschaft. Bei deren Lagerung entsteht klimaschädliches Methan. Wir haben die Möglichkeit, dieses Methan in Biogasanlagen aufzufangen. Damit erzeugen wir nicht nur klimafreundliche Energie, sondern vermeiden auch Emissionen in der Landwirtschaft.

Welche Chancen sehen Sie bei dieser Form der Energiegewinnung für die Zukunft?

Ziel ist es, Kohlenstoffdioxid aus dem Kreislauf zu entfernen. Das wird die große Stunde der Biomasse sein. In der Biogastechnologie haben wir verschiedene Möglichkeiten, CO2 abzuspalten, z.B. bei der Herstellung von Pflanzenkohle aus dem Gärprodukt – das sind negative Emissionen zum Anfassen.

Für Deutschland ist Biogas auch eine große Chance, um unabhängiger von anderen Nationen zu werden. Gerade in Zeiten wie diesen merken wir, dass ein Teil der Energieversorgung und -produktion im Lande gehalten werden sollte. Schon heute könnten wir in Deutschland 160 Terrawattstunden grünes Biogas erzeugen. Energie, die für den Verbraucher im Vergleich zu anderen grünen Gasen deutlich günstiger ist.

Vor welchen Herausforderungen steht die Branche?

Wir müssen jetzt investieren, aber die Investitionsbedingungen sind nicht stabil. Das heißt: Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Auch das Genehmigungsverfahren ist eine große zeitliche Hürde. Im Moment müssen wir ein bis zwei Jahre für die Genehmigung einplanen. Die lange Dauer liegt auch daran, dass sich die Gesetze teilweise widersprechen. Was wir brauchen, sind klare Bedingungen!

Gibt es zurzeit spannende Innovationen?                        

Eine neue Technologie für die Verbrennung von Biogas kommt auf den Markt. Diese Brennstoffzelle hat zwei Vorteile. Zum einen liegen die Wirkungsgrade im Strombereich bei 70 % bis 80 % (im Vergleich zu 45 % bei Verbrennungsmotoren). Zum anderen kann die Zelle rückwärts betrieben werden: Wenn zu viel Strom im Netz ist, kann mit dem gleichen Aggregat Wasserstoff erzeugt und zwischengespeichert werden – eine ganz neue Innovation!

Fakten: Horst Seide ist neben seiner Tätigkeit als Präsident, Biogasproduzent und leidenschaftlicher Landwirt. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Energieproduktion – in der eigenen Region und in ganz Deutschland. Was ihn im Leben glücklich macht? Wenn er über die Felder geht und sich seine Pflanzen ansieht.

23. Dez 2025

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Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes