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19. Jun 2024

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Wirtschaft

Die Kraft der Sonne: Zukunftsmarkt Solar – mit Carsten Körnig

Journalist: Julia Butz

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Foto: Kindel Media/pexels, Presse

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer bei Bundesverband Solarwirtschaft e. V. über Trends und Entwicklungen in einem der wichtigsten Zukunftsmärkte.

koernig_bsw-solar_online.jpg Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer bei Bundesverband Solarwirtschaft e. V. (BSW)

Herr Körnig, wie groß ist der deutsche Solarmarkt aktuell?

In Deutschland ist Solarenergie seit vielen Jahren die beliebteste Energieform. Mit 15 GW hat sich 2023 die neu installierte Solarstromleistung gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt, mehr als eine Million neue Solaranlagen zur Strom- oder Wärmeerzeugung wurden installiert, so viele wie nie zuvor. Infolge der Energiekrise und des Angriffskrieges gegen die Ukraine war die Nachfrage nach PV- und Solarthermie-Anlagen im Privatsektor sprunghaft gestiegen. Hauptmotivator war der Wunsch nach mehr Energiesicherheit und einer inzwischen sehr preiswert gewordenen sauberen Energiequelle. Auch für 2024 rechnen wir mit einer hohen Nachfrage.

Das EEG 2023*1 sieht eine weitere Steigerung der insgesamt installierten Solarstromleistung vor.

Ja, von derzeit rund 80 GWp, bis 2030 auf 215 GWp und bis 2040 auf 400 GWp. Innerhalb von nur zehn Jahren muss sich demnach der PV-Anteil am heimischen Stromverbrauch auf rund 30 Prozent nahezu verdreifachen. Zudem soll die Hälfte des geplanten Photovoltaikzubaus in den kommenden Jahren in ebenerdig errichteten Solarparks erfolgen. Neben den konventionellen PV-Freiflächen-Anlagen dürften dabei in Zukunft flächensparende, hybride Nutzungsformen an Bedeutung gewinnen, wie Agri-PV*2 oder Parkplätze mit PV-Überdachung.

Wie sieht das Interesse seitens der Industrie aus?

Durch die hohen Energiepreise beobachten wir auch bei Unternehmen ein deutlich gestiegenes Interesse an einem Photovoltaikkraftwerk auf dem Firmendach oder einem Solarbooster für die Prozesswärme-Erzeugung. Dazu stehen eine Vielzahl intelligenter Systemlösungen, auch in Kombination mit Speicher- und Ladeinfrastruktur für den eigenen Fuhrpark zur Verfügung. Inklusive gesetzlich garantierter Vergütung bei der Einspeisung ins öffentliche Stromnetz, für nicht selbst verbrauchten Solarstrom über 20 Jahre.

Bürokratische Auflagen haben den Zugang zu Photovoltaik sowohl für Verbrauchende als auch Unternehmen lange Zeit gehemmt. Wie ist der derzeitige Stand?

Mit dem Solarpaket I hat der Deutsche Bundestag Ende April ein ganzes Bündel an Gesetzesreformen zur Beschleunigung des Photovoltaikausbaus auf den Weg gebracht. Das Reformpaket enthält eine Vielzahl an Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Immobilieneigentümern, -mietern und Landwirten sowie anderen professionellen Investoren wird damit der Zugang zu preiswertem Solarstrom vereinfacht. Um allerdings jährlich nicht 15 Gigawatt, sondern 22 GW an neuer PV-Leistung zu installieren, müssen Planungsprozesse weiter entschlackt und z. B. der Netzzugang für Solarparks weiter vereinfacht werden. Darüber hinaus müssen Prozesse zur Systemintegration weiter standardisiert und digitalisiert werden. Hier sind insbesondere auch die Netzbetreiber gefordert.

Braucht die heimische Solarbranche mehr Investitionsanreize?

Mit über 100.000 Beschäftigten im Downstream, also im Handel, bei der Projektierung und Installation von Solarsystemen ist die deutsche Solarbranche sehr stark. Bei der Produktion von Solarmodulen und ihren Vorprodukten spielen wir aber aufgrund politischer Fehlentscheidungen in den letzten Legislaturperioden und eines sehr harten Standortwettbewerbs mit Asien und den USA nur in der Regionalliga. Ohne eine befristete förderpolitische Flankierung für die Aufbauphase solarer Giga-Fabriken besteht keine Chance, eine international wettbewerbsfähige Produktion am Standort Deutschland aufzubauen. Solarmodul-Fabriken in Asien sind in Bezug auf die Kapazität i. d. R. mindestens um den Faktor 10 größer, können dadurch deutlich günstiger produzieren und erhalten zudem großzügige Unterstützung seitens der Regierung, genau wie auch in den USA.

Der Ausbau der europäischen Solarindustrie sollte entlang der gesamten solartechnischen Wertschöpfungskette zumindest eine solide – und im Notfall schnell skalierbare, kontinentale Grundversorgung ermöglichen. Dies ist auch der Wunsch der EU, die sich mit dem Net Zero Industry Act (NZIA) jüngst eine entsprechende Zielsetzung gegeben hat.

Wärme stellt die Hälfte unseres derzeitigen Energiebedarfs dar. Was spricht für eine häusliche und industrielle Nutzung von Solarthermie?

Zur Unterstützung der Raum- oder Prozesswärme sollte Solarthermie als Effizienzbooster einen wichtigen Platz in einer erfolgreichen Wärmewende einnehmen. Im Kraftwerksmaßstab steht sie bereits für unter fünf Cent je kWh zur Verfügung. Sonnenwärme lässt sich in so gut wie jedem Haus nutzen, auch wenn dieses nicht saniert wurde und noch über alte Heizkörper verfügt. Solarthermie ist mit nahezu jeder anderen Heizungstechnik kombinierbar. Sie wird gerne bei bestehenden Gas- oder Ölheizungen nachgerüstet, um deren Verbrauch zu drosseln. Auch bei neuen Wärmepumpen senkt sie den relativ hohen Stromverbrauch. Durch ihre relativ geringen Anschaffungskosten ist Solarthermie eine im Vergleich kostengünstige und schnell umsetzbare Lösung. Im Zusammenspiel mit regelbaren Pumpen, Wärmespeichern und einer intelligenten Systemeinbindung kann die Solarthermie wesentlich zur Reduzierung der Betriebskosten und Dekarbonisierung von Industrieprozessen beitragen.

Während die Nachfrage nach Solarthermie laufend steigt, ist jedoch für das Erreichen des Regierungsziels, die Wärmeversorgung bis 2030 zu 50 Prozent klimaneutral zu gestalten, eine Verdreifachung der installierten solarthermischen Kraftwerksleistung auf Dächern und Freiflächen erforderlich. Dafür fordern wir von der Politik mehr Technologieoffenheit.

*1 EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz *2 Die Kombination von Solarstromerzeugung und landwirtschaftlicher Nutzung

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home