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1. Okt 2025

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Wirtschaft

„Strengere Vorschriften sind nötig“ – Im Interview mit Carl Dominik Klepper, Geschäftsführender Vorsitzender der Allianz Verpackung und Umwelt (AVU)

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

In der EU fehlt es bisher an Regeln für die Zertifizierung und Rückverfolgbarkeit von Rezyklaten. Zudem droht ab 2030 ein Materialengpass.

Wenn ab 2030 in der EU alle Kunststoffverpackungen Rezyklate enthalten müssen, droht eine Lücke beim Materialaufkommen. Betroffen ist vor allem der Bereich der Lebensmittelverpackungen, denn hier gelten besonders hohe Anforderungen an die Materialreinheit, weshalb die meisten Rezyklate nicht verwendet werden dürfen. Es bleibt daher unklar, wie die verpflichtende Rezyklatquote von zehn Prozent für Lebensmittelverpackungen ab 2030 erfüllt werden kann. Aufgrund der künftigen Rezyklatquoten gilt zudem eine stark steigende Rezyklatnachfrage als sicher. In den vergangenen Jahren war Neuware häufig günstiger als hochwertige Rezyklate. Das hat Investitionen in Recyclinganlagen ausgebremst. „Problematisch ist jedoch, dass solche Anlagen lange Planungs- und Investitionszyklen haben. Eine kurzfristige Reaktion auf eine plötzlich steigende Nachfrage wird daher kaum möglich sein“, befürchtet Carl Dominik Klepper, Geschäftsführender Vorsitzender der Allianz Verpackung und Umwelt (AVU).

Herr Klepper, drohen denn durch wachsenden globalen Wettbewerb – etwa mit Asien – künftig Lieferengpässe bei Rezyklaten in Europa?

Ein zügiger Ausbau der europäischen Recyclinginfrastruktur ist das beste Mittel gegen etwaige Lieferengpässe. Grundsätzlich sollte ein hoher Anteil benötigten Rezyklate aus der haushaltsnahen Sammlung aus der EU stammen. Nur so können Kreisläufe nachhaltig und ohne lange Transportwege geschlossen werden. Zudem ist der Import von Rezyklaten aus Drittstaaten mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden: die EU-Verpackungsverordnung fordert zu Recht eine Herstellung unter gleichwertigen Bedingungen. Regeln für Zertifizierung und Rückverfolgbarkeit fehlen jedoch bisher. Dem Import von umdeklarierter Neuware mit dem Label „Rezyklat“ muss zügig ein Riegel vorgeschoben werden.

Welche politischen Instrumente wie Steuern oder Subventionen könnten Unternehmen dabei unterstützen, Rezyklate stärker einzusetzen?

Ein zentrales Instrument wäre die finanzielle Besserstellung besonders gut recyclingfähiger Verpackungen sowie solcher mit Rezyklatanteil. In Deutschland bildet § 21 des Verpackungsgesetzes die Grundlage dafür. Dieser Paragraf sollte weiterentwickelt werden, um gezielt finanzielle Anreize zu setzen, umgesetzt etwa durch einen speziellen Fonds. Dies ist im Koalitionsvertrag bereits grundsätzlich vorgesehen und sollte nun angegangen werden.

Die Grundlage für hochwertiges Recycling wird im Haushalt gelegt. Wenn falsch getrennt wird, leidet die Qualität der zu verarbeitenden Kunststoffe.

Können neue Recyclingtechnologien wie das chemische Recycling helfen, die Rezyklatlücke zu schließen – oder kommen sie zu spät?

Chemisches Recycling ist als komplementäre Technologie zum mechanischen Recycling bereits grundsätzlich einsatzbereit. Ob es sich großflächig durchsetzt, hängt allerdings stark von seiner Rentabilität im Markt sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Erst kürzlich hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Anrechnung chemisch-recycelter Anteile auf die Rezyklatquote bei Kunststoffgetränkeflaschen vorgelegt. Jetzt muss der entsprechende Beschluss kommen.

Wie stark hängt die Rezyklatverfügbarkeit von korrekter Mülltrennung durch Verbraucher ab – und wo braucht es mehr Aufklärung?

Die Grundlage für hochwertiges Recycling wird im Haushalt gelegt. Wenn falsch getrennt wird, leidet die Qualität der zu verarbeitenden Kunststoffe. Es ist deshalb sehr positiv, dass ab Mitte 2028 EU-weit klare Trennhinweise auf Verpackungen und Sammelbehältern aufzubringen sind.

Was passiert, wenn die Rezyklatlücke nicht geschlossen wird? Müssen Unternehmen mit höheren Kosten, Rückgriff auf Neumaterial oder gar Produktionsstopps rechnen?

Die EU-Kommission hat sich vorbehalten, Rezyklatquoten in Ausnahmefällen, etwa bei nachgewiesener Gefährdung der Lebensmittelsicherheit, anzupassen. Eine generelle Absenkung ist jedoch unwahrscheinlich. Klar ist: Unternehmen, die sich nicht rechtzeitig vorbereiten, werden Nachteile erleiden, etwa durch Lieferengpässe bei Rezyklaten.

Rezyklate weisen häufig eine schwankende Qualität auf. Können neue Technologien hier Abhilfe schaffen?

Bei Verpackungen ist eine gleichbleibende Qualität essenziell, insbesondere wegen der Anforderungen an Produktschutz und Lebensmittelsicherheit. Der technologische Fortschritt weist jedoch in die richtige Richtung: KI-gestützte Sortieranlagen, digitale Wasserzeichen auf Verpackungen und verbesserte Recyclingverfahren tragen immer mehr zu einer stabilen Qualität von Rezyklaten bei.

KI-gestützte Sortieranlagen, digitale Wasserzeichen auf Verpackungen und verbesserte Recyclingverfahren tragen immer mehr zu einer stabilen Qualität von Rezyklaten bei.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Rohstoffkreisläufe für Umreifungsbänder schließen – mit Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern

![Scheiblehner_Jürgen_bettercollect2 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Scheiblehner_Juergen_bettercollect2_ONLINE_a360744382.jpg) ```Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern.``` Mit better.collect haben wir den Kreis zwischen Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwertung von Umreifungsbänder geschlossen. Es ist ein bereits funktionierender Kreislauf – und eine Einladung an die gesamte Industrie, sich dieser Win-Win-Situation anzuschließen. Unsere Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt klar: Die eigene Abholung und Sammlung bei einzelnen Unternehmen ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden. Unser Ziel ist es, diesen Closed Loop gemeinsam zu etablieren und damit einen Standard für verantwortungsvollen Materialeinsatz zu setzen. Mein Appell an die gesamte Branche, einschließlich Wettbewerbender: Nutzen wir diese Synergien. Allein ist dieser Weg weder kosteneffizient noch nachhaltig darstellbar. Gemeinsam aber wird er zu einer starken Lösung für Unternehmen und Umwelt. >Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden.