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1. Okt 2025

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Wirtschaft

Wir erwarten einen klaren Aktionsplan von Bau- und Verkehrsministerium – mit Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB)

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), fordert von der neuen Regierung einen klaren Plan zur Umsetzung der Koalitionsvertragspunkte innerhalb der nächsten sechs Monate. Ohne diesen Plan fehlen Perspektive und Verlässlichkeit – und damit das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates.

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Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB)

Herr Müller, statt der zugesicherten 400.000 Wohnungen jährlich wurden 2024 nur etwa die Hälfte gebaut. Ist das Neubauziel der ehemaligen Ampel schon gescheitert? Natürlich muss sich eine Bundesregierung ambitionierte Ziele setzen. Meine Kritik an der Vorgängerregierung richtet sich nicht gegen das Nichterreichen von Zahlen, sondern daran, dass sie zu wenig getan hat, um gegenüber externen Faktoren wie Ukrainekrieg, Energiekrise, Inflation und steigende Baupreise gegenzusteuern. Das Auslaufen der Wohnungsbau-Förderprogramme Anfang 2022 war vermeidbar, und es hätte deutlich mehr Geld in die Programme fließen müssen, gerade wenn man Wohnen zur „sozialen Frage unserer Zeit“ erklärt. Auch das Bündnis für bezahlbares Wohnen hat zwar gute Diskussionen angestoßen, aber kaum Fortschritte gebracht.

Ein Grund dafür sind die gestiegenen Baukosten, unter anderem treibt das klimaneutrale Bauen die Kosten hoch. Sollten die Vorgaben gelockert werden oder der Staat mehr und nachhaltiger fördern? Ich nenne ein Beispiel: Das Effizienzhaus-55 sollte weiterhin eine Richtgröße sein und gefördert werden, denn bei weiterer Dämmung, etwa auf EH-40-Niveau, sinkt der Grenznutzen. Das heißt: Alles ab 55er-Niveau senkt verhältnismäßig wenig CO2, während die Kosten massiv steigen. Noch mehr CO2-Einsparung ist nur über Gebäudetechnik und vor allem klimaneutrale Energie- und Wärmeversorgung zu erreichen. Doch die Wärmeplanung ist auf der Prioritätenliste des Bauministeriums bislang nicht zu finden. Ein weiteres zentrales Problem ist die ausufernde Bürokratie.

Das Auslaufen der Wohnungsbau-Förderprogramme Anfang 2022 war vermeidbar, und es hätte deutlich mehr Geld in die Programme fließen müssen, gerade wenn man Wohnen zur „sozialen Frage unserer Zeit“ erklärt.

… die Sie seit Jahren bemängeln. Werden Sie und die vielen Verbände, die hier eine Vereinfachung fordern, jetzt endlich gehört?

Ich erlebe hier eine enorme Ambivalenz der Bundesregierung. Zwar kündigt sie an, Verfahren zu vereinfachen, tatsächlich aber werden Bauunternehmen immer stärker belastet, zum Beispiel durch Dokumentationspflichten zu Mindestlohn und Arbeitszeiten oder durch neue Gesetze wie das Tariftreuegesetz. Dessen Ziel unterstützen wir ausdrücklich, doch die aufwendigen Nachweise machen es zu einem Bürokratiemonster. Ähnliches gilt im Vergaberecht, wo zusätzliche Pflichten vor allem die Auftraggebenden belasten und so das Bauen weiter erschweren. Statt Vertrauen in die große Mehrheit regelkonformer Unternehmen zu setzen, verfolgt die Politik weiterhin ein Haftungs- und Bestrafungsprinzip. Wir müssen weg von übermäßiger Kontrolle, hin zu gezielter Sanktionierung der wenigen schwarzen Schafe.

Investitionen in marode Infrastruktur oder Investitionen in Wohnraum – was sollte Priorität haben? Und wie könnte man diese Milliarden überhaupt finanzieren?

Wohnen gegen Infrastruktur auszuspielen, ist eine absurde Debatte. Familien brauchen Wohnungen, und die 400.000 gesuchten Fachkräfte aus dem Ausland ebenso. Aber: Der Wohnungsbau steckt seit Jahren in der Krise. Eine Lösung wäre es, die Mehrheit der privaten Vermieter zu unterstützen und gezielt Miet- und Geschosswohnungsbau zu fördern. Gleiches Bild bei der Infrastruktur, es fehlt an Haushaltsmitteln. Trotz 500 Milliarden Euro Sondervermögen werden Investitionen nicht entsprechend aufgestockt, Straßen, Schienen und Wasserwege bleiben unterfinanziert und Kommunen sind mit Rekorddefiziten von demnächst 35 Milliarden Euro überfordert. Absurd! Wohnungen und Infrastruktur: Wer Deutschland als Wirtschafts- und Wohnstandort attraktiv halten will, muss beides finanzieren.

Wir müssen weg von übermäßiger Kontrolle, hin zu gezielter Sanktionierung der wenigen schwarzen Schafe.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Rohstoffkreisläufe für Umreifungsbänder schließen – mit Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern

![Scheiblehner_Jürgen_bettercollect2 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Scheiblehner_Juergen_bettercollect2_ONLINE_a360744382.jpg) ```Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern.``` Mit better.collect haben wir den Kreis zwischen Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwertung von Umreifungsbänder geschlossen. Es ist ein bereits funktionierender Kreislauf – und eine Einladung an die gesamte Industrie, sich dieser Win-Win-Situation anzuschließen. Unsere Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt klar: Die eigene Abholung und Sammlung bei einzelnen Unternehmen ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden. Unser Ziel ist es, diesen Closed Loop gemeinsam zu etablieren und damit einen Standard für verantwortungsvollen Materialeinsatz zu setzen. Mein Appell an die gesamte Branche, einschließlich Wettbewerbender: Nutzen wir diese Synergien. Allein ist dieser Weg weder kosteneffizient noch nachhaltig darstellbar. Gemeinsam aber wird er zu einer starken Lösung für Unternehmen und Umwelt. >Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden.