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1. Sep 2022

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Wirtschaft

„Die Situation ist dramatischer denn je“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

Der Mangel an LKW-Fahrern bremst die Transportbranche aus und die Verbraucher bekommen das zu spüren, sagt Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL.

Herr Professor Engelhardt, seit Jahren klagt die Transportbranche über einen Mangel an LKW-Fahrern. Wie sieht die aktuelle Situation aus? Und welche Prognose geben Sie für die kommenden Jahre ab?

Wir reden inzwischen bereits von etwa 100.000 fehlenden LKW-Fahrern in Deutschland – die Situation ist also dramatischer denn je. Wenn sich nichts tut, gehen wir in englische Verhältnisse über. In England wurde die Situation durch Brexit und Corona beschleunigt, in Deutschland und Westeuropa ist der Prozess schleichender. Aber auch hier gehen erheblich mehr Fahrer in den Ruhestand als neue nachkommen – ein Drittel der Fahrer in Deutschland sind 55 Jahre und älter.

Bekommen das auch die Verbraucher zu spüren?

Ganz klar: ja. Unser kompletter geschäftlicher und privater Konsum ist vom Fahrermangel betroffen. Mehr als 70 Prozent werden mit dem LKW transportiert. Die Verbraucher bestellen immer mehr online und immer kleinteiliger und möchten die Ware immer schneller haben, sodass mehr Transporte notwendig werden. Gleichzeitig bekommen wir von unseren Mitgliedsunternehmen immer häufiger die Meldung, dass sie Aufträge ablehnen müssen, weil ihnen Fahrer fehlen. Das geht so weit, dass Kapazitäten aus dem Markt genommen werden.

Es scheint also so, dass man den Beruf des LKW-Fahrers attraktiver machen muss. Aber wie kann das gelingen?

Der BGL hat kürzlich eine Umfrage unter tausenden Fahrern gemacht, die ergab, dass es drei Hauptgründe für die mangelnde Attraktivität des Berufes gibt. Der erste ist die schlechte Entlohnung, der zweite das schlechte Image und der dritte sind die schlechten Arbeitsbedingungen.

Kann die Digitalisierung Abhilfe schaffen?

Sie hilft natürlich, aber das Problem des Fahrermangels kann sie nicht lösen. Digitalisierung kann bei der Aus- und Weiterbildung des Fahrpersonals helfen, die nicht in Präsenz abgehalten werden. Das ist auch eine Forderung des BGL, weil eine solche Maßnahme eine höhere Akzeptanz schafft. Sehr hilfreich wären durchgängige digitale Frachtbriefe. Hier könnte die Digitalisierung sehr zum Abbau der überbordenden Bürokratie beitragen. Derzeit gibt es separate Dokumente für Waren, die zunächst mit dem Schiff ankommen, dann mit der Bahn weitertransportiert und schließlich auf den LKW umgeladen werden. Daher fordert der BGL, den Elektronischen Frachtbrief weiter zu forcieren.

Gibt es die Möglichkeit, mit den Logistikunternehmen enger zusammenzuarbeiten?

Ja, diese Möglichkeit gibt es und der BGL empfiehlt das seinen Mitgliedsunternehmen auch ausdrücklich. Einige große Unternehmen von der Automobilbranche bis zum Lebensmitteleinzelhandel greifen das auch schon auf und melden sich direkt bei uns. Alle haben inzwischen erkannt, dass sie nur, wenn sie zukünftig Zugriff auf Frachtraum haben, überhaupt noch in der Lage sein werden, ihr Geschäft anzubieten. Der BGL vermittelt in allen Teilen Deutschlands und sogar in europäischen Nachbarländern. Wir haben unter dem Namen BGL connect eine interaktive Landkarte, auf der Unternehmen gezielt nach den Transportkapazitäten suchen können, die sie gerade benötigen. Unternehmen sollten uns einfach über unsere Seite www.bgl-ev-de kontaktieren.

Wäre nicht ein Mittel gegen den Fahrermangel die stärkere Verlagerung von der Straße auf die Schiene?

Grundsätzlich steht der BGL für eine Verzahnung aller Verkehrsträger. Dazu gehört neben der Schiene auch die Binnenschifffahrt. Es gibt gemeinsam mit der Vereinigung „Allianz pro Schiene“ das Projekt „Truck2Train“, das unter der Schirmherrschaft des Bundesverkehrsministeriums eine digitale Buchungsplattform anbietet. Das Hauptproblem aber ist, dass die Bahn nur in die großen Städte transportiert – aber was ist, wenn der Empfänger einer Warenlieferung auf dem Land oder in einer kleineren Stadt sitzt? Mittelständische Transportunternehmen verfügen nicht über ein europaweites Netzwerk von Niederlassungen, mit dem sie den Nachlauf dorthin organisieren können, und können daher das Angebot der Bahn gar nicht nutzen. Der BGL bietet mithilfe einer digitalen Buchungsplattform, die im Herbst an den Start gehen wird, an, die Möglichkeit für diesen Nachlauf besser zu organisieren. Aber in vielen Fällen wird das nicht möglich sein.

Welche Rolle spielt die E-Mobilität?

Derzeit eine kaum wahrnehmbare. Von den rund 800.000 schweren LKW, die in Deutschland täglich unterwegs sind, fahren etwa 90 mit Strom. Die Technik für Fernverkehrs-LKW existiert nämlich noch gar nicht, ebenso wie die Ladeinfrastruktur. Es wird auch noch Jahre brauchen, bis sie vorhanden ist. Und um die Kapazitäten an erneuerbarer Energie zu erreichen, die allein für den LKW-Verkehr nötig wären, müssten wir die Zahl der Windräder von derzeit 26.000 um 55.000 erhöhen. Darin sind die Zahlen für Bus- und PKW-Verkehr noch gar enthalten. Man muss solche Probleme ehrlich ansprechen, aber oft fallen sie in der Diskussion unter den Tisch und es entstehen dadurch Vorstellungen, die nicht erfüllbar sind.

Bleibt zum Schluss die Frage: Welche Forderungen haben Sie an die Politik?

Wir brauchen Investitionssicherheit für die Unternehmen, damit wir nicht wieder eine solche Bauchlandung erleben wie zum Beispiel vor wenigen Jahren beim Biotreibstoff. Außerdem müssen die Führerscheine deutlich billiger werden, sie kosten heute etwa 10.000 Euro. Zusätzlich benötigen wir Zuwanderung aus anderen Ländern. Und nicht zuletzt brauchen wir eine Imagekampagne.

Fakten: Wenn Dirk Engelhardt vom Alltag der LKW-Fahrer spricht, weiß er genau, wovon er redet. Denn der 49-Jährige hat schon als Schüler angefangen, in der Logistik zu arbeiten, Eisenbahnwaggons zu beladen und Gabelstapler durch Regalreihen zu lenken. Während des Studiums fuhr er auf 40-Tonnern quer durch Europa. Bei ihm sind die Belange der Fahrer also gut aufgehoben.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Rohstoffkreisläufe für Umreifungsbänder schließen – mit Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern

![Scheiblehner_Jürgen_bettercollect2 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Scheiblehner_Juergen_bettercollect2_ONLINE_a360744382.jpg) ```Jürgen Scheiblehner, Geschäftsführer von Strapping Solutions bei Teufelberger, weltweit größter, systemunabhängiger Hersteller von High-Performance-Umreifungsbändern.``` Mit better.collect haben wir den Kreis zwischen Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwertung von Umreifungsbänder geschlossen. Es ist ein bereits funktionierender Kreislauf – und eine Einladung an die gesamte Industrie, sich dieser Win-Win-Situation anzuschließen. Unsere Erfahrung der letzten fünf Jahre zeigt klar: Die eigene Abholung und Sammlung bei einzelnen Unternehmen ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden. Unser Ziel ist es, diesen Closed Loop gemeinsam zu etablieren und damit einen Standard für verantwortungsvollen Materialeinsatz zu setzen. Mein Appell an die gesamte Branche, einschließlich Wettbewerbender: Nutzen wir diese Synergien. Allein ist dieser Weg weder kosteneffizient noch nachhaltig darstellbar. Gemeinsam aber wird er zu einer starken Lösung für Unternehmen und Umwelt. >Nur durch die Nutzung bestehender Entsorger-Logistik, die für die anderen Materialströme ohnehin regelmäßig zahlreiche Firmen anfahren, kann der Rohstoffkreislauf für Umreifungsbänder effizient geschlossen werden.