14. Dez 2023
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Wirtschaft
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: ivan samkov/pexels, HDB/Bollhorst
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, spricht über die Herausforderungen und Forderungen der Baubranche.
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie
Grundsätzlich ist unsere Bauwirtschaft eine robuste und solide Branche, doch am Horizont sehen wir düstere Vorzeichen: Rückläufiger Auftragseingang, rückläufige Baugenehmigungen und negativer Umsatz im Jahr 2023. Gleichzeitig besteht aber die riesige Motivation der Branche, sich den Zukunftsaufgaben wie bezahlbarer Wohnraum oder der Energiewende zu stellen. Denn für 90 Prozent dieser Transformationen muss gebaut werden. Das Wichtigste dafür ist, dass wir als Unternehmende wieder Vertrauen in die politischen Rahmenbedingungen fassen können, denn ohne Investitionen der Öffentlichen Hand können weite Teile der Bauindustrie nicht arbeiten. Zweitens brauchen wir dringend mehr Fachkräfte und demzufolge ein vernünftiges Einwanderungsgesetz. Drittens ist die Verwaltung massiv unterbesetzt, es fehlen tausende Ingenieurinnen und Ingenieure. Die vierte Baustelle ist eine Bürokratie, die ihresgleichen sucht. Die Gesamtbürokratiekosten führen heute in Deutschland zu einer Belastung von rund 50 Milliarden Euro jährlich.
Für die Städte der Zukunft ist es aus meiner Sicht wichtig, einen Ansatz für einen klimaneutralen Gebäudebestand zu wählen, der sich nicht auf technische Einzellösungen versteift. Dies wäre volkswirtschaftliche Geldverschwendung! Ein simples Beispiel: Wir sind stolz auf Stadtbilder wie in München, Berlin und Hamburg, wo Bauten stehen, die seit Jahrhunderten überdauern. Sie lassen sich kaum von außen dämmen, weshalb es aus wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten sinnvoller ist, auf klimaneutralen Strom und Wärme zu setzen. In anderen Fällen macht Dämmung bis zu einem gewissen Grad wiederum Sinn. Zudem müssen wir vorhandene Flächen im städtischen Raum mehrfach nutzen: etwa indem Hitze im Sommer über den Straßenkörper abgeleitet und zur Abgabe an Wärmenetze im Winter gespeichert wird, der Bindung von Stickoxiden für weniger Schadstoffbelastung in der Luft oder Fassadenbegrünungen für ein angenehmes Stadtklima. Schließlich müssen wir in Quartieren denken und eine gute soziale Mischung erreichen – das, was eine Stadt so lebenswert macht: gesellschaftliches Zusammenkommen von unterschiedlichen Menschen durch Begegnungsflächen, Kulturangeboten und guter Mobilität.
„Das Wichtigste ist, dass wir als Unternehmende wieder Vertrauen in die politischen Rahmenbedingungen fassen können, denn ohne Investitionen der Öffentlichen Hand können weite Teile der Bauindustrie nicht arbeiten.“