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13. Jun 2022

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Business

Digitale Chancen im Gesundheitswesen

Journalist: Julia Butz

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Foto: bvitg e. V., Luis Villasmil/unsplash

eHealth, eRezept, Gesundheits- und Pflege-Apps: Der Einsatz digitaler Helfer kann dazu beitragen, das deutsche Gesundheitswesen effizienter zu machen.

Susanne Koch, Referentin für eHealth & Verbandsstrategie beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V.

Seit 2019 ermöglicht das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) bereits die Verschreibung digitaler Gesundheitsanwendungen: die „DiGA“. Web- oder Smartphone-Apps unterstützen erkrankte Menschen durch Online Interaktionen, medizinische Chat-Boots oder digitale Diagnosetools bei der Selbstbehandlung. Z. B. durch Entspannungstechniken bei Schlafstörungen, Hilfe bei Tinnitus oder virtuellen Trainingsvorgaben. Als Teil einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung können die digitalen Unterstützungen zusätzlich oder alternativ zum klassischen Medikament als Behandlungsform vom Arzt verschrieben werden, bezahlt von den Krankenkassen. 

2021 hat das Bundesministerium für Gesundheit auch für die digitale Unterstützung im Pflegebereich grünes Licht gegeben. Mit der DiPA – der digitalen Pflegeanwendung – erhalten Pflegebedürftige digitale Hilfestellung, um den Gesundheitszustand zu verbessern oder der Verschlechterung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Eine DiPA kann Abläufe effizienter kontrollieren und dokumentieren sowie die Kommunikation erleichtern. Die Nutzung einer DiPA wird allerdings nicht auf Rezept verschrieben, sondern muss bei der sozialen Pflegekasse beantragt werden. Der Unterschied zwischen einer DiGA und DiPA liegt außerdem in der Zielsetzung: Eine DiGA muss dem Patienten nachweisbar einen direkten Mehrwert bieten. Die DiPA zielt auf den längerfristigen, rein pflegerischen Nutzen ab und muss keine unmittelbare Wirkung ähnlich eines Medizinproduktes nachweisen.

Die Akzeptanz digitaler Anwendungen ist allerdings eher rückläufig. Susanne Koch, Referentin für eHealth & Verbandsstrategie beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V., stellt fest, dass die Pandemie die Thematik zudem eher behindert, als beflügelt hat: Wenn Arztpraxen durch Patientenanstürme und tägliche Testungen nicht dazu kommen, sich mit digitalen Hilfestellungen auseinanderzusetzen, werden diese auch nicht verschrieben. Es fehlen Erfahrungswerte und Evidenzen. Skepsis und Unsicherheiten bestehen auch hinsichtlich der Haftung. Im Regelfall muss heute der Patient selbst informiert sein und in Eigeninitiative um eine App auf Rezept bitten. „Institutionen und Ärzteschaft benötigen Zeit, Erfahrungswerte und die Motivation, um die neuen digitalen Helfer auch einzusetzen“, so Susanne Koch.

Auch das „eRezept“ ist im Alltag der Praxen noch nicht angekommen. Bereits zum letzten Jahreswechsel als verpflichtend geplant, scheitert der Praxisalltag noch an der nötigen Infrastruktur und entsprechender Authentifizierung - sowohl seitens der Patienten als auch der niedergelassenen Ärzte. Auch sind die Server, über die die Datenströme laufen sollen, noch nicht hinreichend getestet. Nach Susanne Koch herrsche „seitens der Industrie derzeit eine gewisse Ratlosigkeit, wie es mit dem eRezept weitergehen wird.“ Die Umstellung auf papierlose Daten, das Automatisieren von Abläufen und die Unterstützung von Patienten und Pflegebedürftigen bei der Selbstbehandlung bieten enorme Potentiale – sowohl in der Nutzung – als auch in der weiteren Entwicklung für Medizintechnikfirmen und Software-Hersteller. Eine entsprechende und vernetzte Anwendung ist allerdings noch immer Herausforderung.