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13. Jun 2022

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Business

„Digitalisierung funktioniert erst dann gut, wenn man den Mehrwert eines gesamten Prozesses auch digital abbildet“

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Martin Peuker, CIO, Leitung Geschäftsbereich IT der Charité, macht Krankenhäuser zukunftsfit. Dazu hat er für die Charité eine Digitalisierungs- und IT-Strategie mitentwickelt, die flächendeckend als Vorbild gilt.

Medizin-IT schreitet in Riesenschritten voran. Welche Bedeutung hat die IT für die „Strategie 2030“ der Charité?

Zunächst einmal ist es gut, dass die Charité überhaupt eine Strategie formuliert hat, denn man betreibt ja IT nicht zum Selbstzweck, sondern versucht, damit einen Mehrwert zu schaffen: für Patienten, Forscher, Ärzte, Pfleger. Die Bereiche medizinischer Fortschritt und demografischer Wandel mitsamt der Digitalisierung im Kontext voranzubringen, das ist wesentlicher Bestandteil unserer Strategie.

Weshalb ist die Health Data Platform, die Sie dazu aufgebaut haben, so wichtig?

Zum Erreichen unserer Strategie müssen wir unsere erhobenen Daten mehr und besser nutzen. Wir haben deshalb versucht, die Health Data Platform so aufzubauen, dass sie für den Krankenhaus- und Forschungsprozess interoperabel austauschbar werden. Dazu haben wir wiederum gemeinsam mit Vivantes, einem kommunalen Krankenhausbetreiber in Berlin, eine Interoperabilitätsplattform aufgebaut, wo wir die Daten nach internationalen Standards übernehmen und sowohl für den Krankenversorgungsprozess als auch für die klinische Forschung nutzbar machen, bis hin zur molekularen Grundlagenforschung – um sie somit auch wieder schneller ans Behandlungsbett zu bringen. Ich sehe diese Interoperabilität vierfach: semantisch, syntaktisch, prozessual und strukturell. Die größte Aufgabe ist es, Daten interoperabel zu machen, sie also digital austauschen zu können.

Wir können noch nicht in allen Bereichen perfekt unterstützen, aber besonders im Bereich Infektionsmanagement hat unsere Health Data Platform auch schon vor der Pandemie eine Rolle gespielt: Man konnte Laborinformationen um virologische Parameter in Echtzeit ergänzen. Auch im Bereich „akutes Nierenversagen“ hilft eine spezielle KI dabei, anhand von Daten mittels bestimmter, bereits erhobener Parameter, ein akutes Nierenversagen vorherzusagen.

Stichwort KI: Sie setzen mannsgroße Roboter ein, die bei der Betreuung von Intensivpatienten helfen – Fluch (wegen möglicher Falschprogrammierung) oder eher Segen (wegen des Ausbleibens menschlicher Fehler)?

Ich nehme sie definitiv als Segen wahr, auch begünstigt durch die Pandemie! Was damals ein Forschungsprojekt war, ist jetzt in die abrechenbare Regelversorgung aufgenommen worden. Wir haben diese Roboter mittlerweile in über 24 Kliniken weltweit im Einsatz. Das sind IT-unterstützte Technologien, um intensivmedizinische Skills ortsungebunden anbieten zu können. Gesteuert werden sie unter Beobachtung eines Intensivmediziners aus der Charité. Aber natürlich ist das Thema Cybersecurity grundsätzlich ein Riesenthema, das wir in Deutschland wesentlich stärker als Grundpfeiler einer IT-Architektur mitbedenken müssen.

Die Charité ist ja auch eine sehr wichtige Forschungseinrichtung. Welche Rolle spielt Blended Learning hierbei?

Ich hoffe, in Zukunft eine immer größere Rolle! Wir konnten fast alles auf digitale Lernangebote umstellen. Schon auf unserer bisherigen Plattform VITA konnte man sämtliche Kurse ortsungebunden und zeitlich flexibel machen, jetzt gehen wir einen Schritt weiter und haben Mixed Reality integriert. Es müssen sich also nicht mehr 30 Studierende über einen offenen Bauch beugen, um dem Professor bei einer komplizierten Operation über die Schulter zu blicken, sondern sie können mittels einer VR-Brille im virtuellen OP-Raum viel besser und genauer dabei zusehen, wann, wo und wie geschnitten wird und wann vernäht. 

Der Fachkräftemangel dürfte ja in der Charité kein Thema sein, oder?

Leider doch. Das Thema demografischer Wandel trifft den Gesundheitsbereich nämlich doppelt, denn wir haben viel mehr alte, schwerkranke Patienten und gleichzeitig in der Pflege als auch in der IT einen riesigen Mangel an Fachkräften. Doch auch wir entwickeln uns in Richtung New Work weiter und das hilft bei Bewerbungsgesprächen enorm.

Was halten Sie für die wichtigste Stellschraube für den Aufbau eines digitalen Krankenhauses?

In der letzten Legislaturperiode wurden sehr viele Digitalisierungsvorhaben gestartet, unter anderem hat man das Krankenhauszukunftsgesetz verabschiedet, bei dem über vier Milliarden Euro in die Kliniklandschaft investiert werden. Diese Finanzierung ist auch eine wichtige Stellschraube, ein hoher Einmalbetrag pro Haus macht jedoch wenig Sinn. Finanzierungsmodelle müssen so aufgebaut werden, dass der Aufbau einer Cloudinfrastruktur ermöglicht wird. Wir brauchen Software-as-a-Service auch digital.

Die vielen damit zusammenhängenden Themen müssen jedoch jetzt nicht singulär, sondern national erreicht werden. Auf die Charité bezogen bedeutet das, wir haben relativ viele digitale Daten, doch sie sind aus meiner Sicht noch nicht alle gut in Prozessen Ende zu Ende abgebildet. Bisher sind es gut abgebildete Stücke, aber Digitalisierung funktioniert erst dann gut, wenn man wirklich den Mehrwert eines gesamten Prozesses digital abbildet. Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Stellschraube, um die Digitalisierung in Deutschland voranzubringen.