15. Mär 2023
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Gesellschaft
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse
Lunia Hara, Director Project Management Diconium und Expertin für empathische Führung, spricht im Interview darüber, was anstelle von kostenlosen Äpfeln und Bananen in eine Stellenausschreibung gehört, und warum bei einer guten Führungskultur Feedback so wichtig ist.
Frau Hara, viele Unternehmen nennen in ihren Stellenanzeigen als Benefit frisches Obst. Rennen ihnen daraufhin die Bewerber die Türen ein?
Nein, deswegen entscheidet sich niemand mehr für ein Unternehmen und deshalb bleibt auch niemand mehr bei einem Unternehmen. Denn wenn die Unternehmenskultur nicht stimmt, bringen auch solche kleinen Wertschätzungen nichts. Allerdings kann man tatsächlich mit der Kultur eines Unternehmens werben: Indem explizit genannt wird, was Angestellte bekommen, wenn sie sich für dieses Unternehmen entscheiden. Welche Unterstützung sie für den nächsten Schritt erhalten, den sie gehen wollen – und welche Führungskultur herrscht. Und genau hier sind viele Unternehmen zurückhaltend, Vielleicht, weil es für sie schwer zu fassen ist, was ihr Unternehmen eigentlich ausmacht.
Es wäre ja schon viel gewonnen, seine Angestellten nicht fahrlässig gehen zu lassen, weil man nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht. Mitarbeiter zu halten und zu binden hat auch viel mit Führungskultur zu tun!
Wer ist hierbei besonders gefragt?
Sämtliche Führungskräfte. Führung hat eine Art Vorbildfunktion, und in vielen Fällen ist das mittlere Management auch bestrebt, Vorbild zu sein und ein gutes Klima zu schaffen. Wenn es allerdings selber keine Führung erfährt und keine Vorbilder hat, weiß es auch nicht, was es nach unten weitergeben soll.
Wie können Unternehmen junge Menschen für sich begeistern?
Letztens hat mir jemand erzählt, er hätte die Vision seines jetzigen Arbeitgebers gelesen und diese hätte ihn sofort begeistert, denn sie lautet: Wir wollen das menschenzentrierteste Unternehmen Europas werden. Das ist klar, einfach verständlich und zeigt Haltung. Und Haltung zu zeigen fehlt vielen Unternehmen. Laut einer Studie von Green Recruiting wählen 80 Prozent der Studierenden ihren Arbeitgeber nach Nachhaltigkeitskriterien aus, es geht ihnen vorrangig um den gesellschaftlichen Beitrag, den das Unternehmen leisten möchte.
Sie sind Expertin für empathisches Leadership. Was zeichnet empathische Leader aus?
Empathische Leader sind sehr auf die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden bedacht und möchten diese bei ihren Zielen und Herausforderungen unterstützen. Sie haben Freude daran, andere Leute zu entwickeln und zu unterstützen. Nötig sind dazu Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, gut zuzuhören. Ausschließlich empathisch zu sein reicht allerdings nicht, ich muss ja trotzdem z.B. entscheidungsfreudig sein.
Haben Vorgesetzte manchmal Angst, bei offensichtlicher Empathie vielleicht nicht ernst genommen zu werden?
Ich glaube, das ist ein Missverständnis empathischer Führung, weil viele denken, es geht nur darum, nett zu sein, den Mitarbeitenden alles recht machen wollen. Bei empathischer Führung stehen jedoch Potential und Entwicklung des Einzelnen im Vordergrund – und dazu gehört auch das Thema Feedback, beispielsweise ehrlich aussprechen, was nicht gut läuft. Bei Empathischer Führung bedeutet Feedback Fürsorge.
Wie erreicht man eine Kompetenz zur Sensibilisierung in Bezug auf die unzähligen Formen der Diskriminierung?
Dieser vor vielen Jahren eingeschlagene Kurs, in dem immer von „den Frauen“ gesprochen wird, gehört aus meiner Sicht korrigiert, weg von der Frauenquote hin zur Diversity Quote. Selbst mit 50 Prozent Frauen im Management fehlen die anderen immer noch.
Das Problem beginnt viel früher. Wir brauchen mehr inklusive Kindergärten und Schulen. Je früher Kinder mit unterschiedlichen Minderheitengruppen zusammenkommen, desto besser. Dadurch wird für sie Vielfalt zur Selbstverständlichkeit. Auch das Vorsortieren nach Leistung auf der Grundschule gehört abgeschafft. Zusätzlich Vorbilder, in denen sich die Kinder selbst erkennen – und aktive Förderung. Dort, wo es die Eltern selbst nicht schaffen.
Diese strukturelle, systematische Diskriminierung müssen wir die nächsten Jahre angehen, damit sich das auch im Job widerspiegelt.
In Schweden müssen auch Väter Erziehungsurlaub nehmen. Ein Weg zu mehr Gleichberechtigung?
Ja, definitiv. Zum einen geht es um den Lerneffekt der nachfolgenden Generationen, zu sehen, dass es normal ist, sich auch als Mann ums Baby zu kümmern, zum zweiten, dass man nicht in die Versuchung kommt zu sagen, du verdienst mehr und deshalb bleibe ich zuhause. Wie soll man denn mehr verdienen, wenn man immer zuhause bleibt?
Inwieweit kann die digitale Transformation dabei helfen, mehr Diversität ins Team/Unternehmen zu bringen?
Keine einfache Frage. Ich würde sagen, dass beides sich unterstützt. Ich habe mal die These vorgebracht, dass sich Menschen, die sich mit digitaler Transformation schwertun, auch mit dem Thema Diversity schwertun. Die digitale Transformation verändert ja auch die Arbeits- und Denkweise, es entstehen andere Arbeitskulturen. Wie kann man diesen Veränderungen positiv entgegensehen und diese nicht als Bedrohung empfinden? Diversity und digitale Transformation bedeuten beide Veränderungen. Wenn wir das Thema Diversität geknackt kriegen, dann sind die Menschen vom Mindset her so weit, dass sie auch allem anderen gegenüber offener sein werden.