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16. Dez 2022

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Wirtschaft

„Du musst Alkohol wie einen Freund behandeln“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Marco Polex, Adam Jaime/unsplash

Charles Schumann hat nachhaltig die Bar-Kultur geprägt. Im Interview spricht er über Erfolgsrezepte, den Alltag hinter dem Tresen und schlechte Cocktails.

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Charles Schumann, deutscher Barkeeper und Gastronom

Wie sieht ihre perfekte Mannschaft in der Bar aus?

Bei uns sind die Mitarbeiter immer sehr lange – einige sogar seit 40 Jahren. Es muss eine Balance zwischen den erfahrenen und jungen, neugierigen Barleuten geben. Sonst geht nichts vorwärts. Für uns ist es gut, dass wir sehr viele internationale Mitarbeiter haben. Ich hoffe, dass wir bald auch mehr Mitarbeiterinnen haben, es bewerben sich zu wenige.

Welche Eigenschaften muss man haben, um erfolgreich und lange eine Bar zu führen?

Wissen und Können ist die eine Geschichte. Wenn die Passion fehlt, dann geht es nicht. Und eine gewisse Leidensfähigkeit, denn die Arbeit ist wirklich hart. Wir brauchen keine Selbstdarsteller, sondern echte Gastgeber. Und Achtsamkeit ist wichtig: Man sollte mit sich sorgfältig umgehen, sonst liegt man schnell tot hinter dem Tresen.

Was braucht eine gute Bar?

Auf keinen Fall Tausende von Flaschen. Ein ausgesuchte, feine Auswahl, das reicht. Man sollte für den Gast da sein, aber er muss auch in Ruhe gelassen werden. Ein Balanceakt. Deshalb steht der Schumann auch in der Küche, weil er im Alter die Leute nur dumm anredet. 

Was hat sich bei Ihnen persönlich, aber auch allgemein durch die Pandemie verändert?

Auch während der Pandemie waren wir immer für unsere Gäste da. Nach der Pandemie sind die Gäste sofort wieder zurückgekommen, Gott sei Dank. Ich führe seit 40 Jahren eine Bar mit vielen Stammkunden – da ändert man nichts. Diese ewige Manie, sich jeden Tag neu zu erfinden, das brauche ich nicht mehr.

Gibt es noch Momente, wo man Sie mit neuen Cocktail-Varianten überraschen kann?

Eigentlich nicht. Wein trinke ich, wenn ich mal ausgehe. Mein Lieblingscocktail ist nach wie vor Campari – geschüttelt am liebsten. Und obwohl ich kein Bayer bin, trinke ich gerne ein Bier gegen Durst. Je älter ich werde, umso mehr mag ich Whisky pur. 

Welche Rolle spielen heute und in Zukunft alkoholfreie Cocktails?

Man versucht immer wieder, den Leuten Cocktails ohne Alkohol zu verkaufen. Also, meine persönliche Einstellung: Alkohol ist dein Freund, aber du musst ihn auch wie einen Freund behandeln. Säufst du zu viel, dann wird er zum Feind.

Welche Cocktail-Variationen gehen denn überhaupt nicht?

In meiner Bar ist häufiger ein Kölner Musiker zu Gast, der gerne Golden Cadillac zum Essen trinkt. Das ist ein cremig-süßer Cocktail, unter anderem mit Vanillelikör. Entsetzlich, aber wenn's ihm schmeckt…

Ihr Herz schlägt für Japan: Wie ist die Atmosphäre in den Bars dort?

Ich habe ein ganz besonderes Verhältnis zu Japan. Nicht nur zum Land, sondern auch zu den Menschen. Es gibt verbindliche Regeln, wie man sich verhält. Hier wird einem Freiraum gelassen und man respektiert sich mehr.

Sie sagten einmal, „es muss salzig sein, damit die Leute trinken.“ War das für Sie der Grund, gutes Essen zu servieren?

Eine Bar ohne Speisen würde ich nicht eröffnen. Und hier muss einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen, wie bei uns. Ich kann doch nicht ein Mittagessen für 30 Euro anbieten. Das hat nichts mit mir nichts zu tun. Ich sage immer, wir sind eine gehobene Kantine.

Wie lange werden wir Charles Schumann noch in seiner Bar sehen?

Wenn ich mal ganz müde bin, dann schreibe ich hin: Heute geschlossen wegen gestern. Das wäre schön.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.