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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Düngen ohne Pestizide im Sinne der Natur

Journalist: Helmut Peters

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Foto: Etienne Girardet/unsplash

Die Zeit drängt und die Fenster schließen sich bald, um einem drohenden Ökozid auch durch umweltschädliche Düngemittel noch rechtzeitig auszuweichen.

Das neue europäische Düngemittelrecht ist am 16. Juli 2022 in Kraft getreten. Und sie trifft die Landwirtschaft in einer Zeit, wo durch den Ukraine-Krieg, die Inflation und die explodierenden Energiepreise alle Betriebe und die Lieferketten unter großem Druck stehen. Durch den zunehmenden Düngermangel und die steigenden Preise für Kunstdünger greifen die Betriebe gerade wieder verstärkt auf Gülle zurück und es verwunderte im Hochsommer kaum, dass der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, dazu äußerte: „Wenn der mineralische Dünger teurer und knapper wird, gewinnen alle organischen Stickstoffquellen an Wert und Attraktivität.“ Viele Landwirtschaftsbetriebe kaufen an regional organisierten Güllebörsen und Gülle wird alles andere als umweltfreundlich über lange Strecken an ihre Bestimmungsorte transportiert. Ohne mineralischen Stickstoffdünger drohten 2023 dem DBV zufolge Einbußen bei der Ernte von 20 bis 25 Prozent. In Deutschland werden knapp drei Millionen Tonnen Dünger jährlich auf den Feldern ausgebracht und die Hälfte davon ist Kunstdünger.

Welche Veränderungen bringt das neue europäische Düngemittelrecht nun für alle Beteiligten? Für die Landwirte ermöglicht sie vor allem eine größere Produktauswahl an Düngemitteln, die ihnen in Zukunft die Arbeit erleichtern soll. In der EU-Düngeprodukteverordnung sind neben den mineralischen Düngemitteln und Kalkdüngemitteln auch organische und organisch-mineralische Düngemittel, Bodenverbesserungsmittel, Kultursubstrate, Hemmstoffe, Biostimulanzien und Mischungen genannt. Allerdings werden diese in sogenannte „Produktfunktionskategorien (PFC)“ und die Ausgangsstoffe für die Herstellung in sogenannte „Komponentenmaterialkategorien (CMC)“ eingeteilt und tragen neue Bezeichnungen und Kennzeichnungen, um sie nach Mindestgehalten an Nährstoffen, Löslichkeiten und Höchstgehalten an Schadstoffen besser unterscheiden zu können. Sinn des Ganzen ist ein sorgfältigerer und verantwortungsvollerer Umgang mit Düngemitteln. Es muss nun auch genau genannt werden, welche Stoffe für die Herstellung bestimmter EU-Düngeprodukte verwendet werden dürfen. Eine lange Reihe anderer Stoffe wird dagegen ausgeschlossen. Darunter fallen zum Beispiel bestimmte Abfälle.

Ein wichtiges Ziel der EU-Düngeprodukteverordnung ist es, die Vermarktung von Recyclingdüngern zu ermöglichen. Dazu gehören etwa Phosphat-Düngemittel, die aus der Verbrennung von Klärschlamm gewonnen werden. Auch der Einsatz von Pflanzenkohlen aus verschiedenen organischen Ausgangsstoffen wird über die EU-Düngeprodukteverordnung nun verbessert geregelt.

Für die Landwirte wird es zunächst nicht einfach sein, sich in dem ganzen Dschungel neuer Bezeichnungen und Kategorisierungen zurecht zu finden, aber die Zielrichtung ist ja auch in ihrem Sinne. Zumindest können alle nun sicher sein, dass die Hersteller von Düngemitteln weit stärker als früher verpflichtet werden, ihre Produkte zu zertifizieren und durch sogenannte Konformitätsbewertungsverfahren von Konformitätsbewertungsstellen notifizieren lassen. Tatsächlich ist in diesem Bereich allerdings trotz der Verabschiedung der neuen europäischen Düngemittelverordnung noch nicht alles endgültig geregelt. So wird zum Beispiel noch an Vorgaben für Analysemethoden, tierische Nebenprodukte, technische Dokumentation und Wirksamkeitsprüfungen gearbeitet. Zudem ist auch die Liste der Ausgangsstoffe („CMC“) und die an sie geknüpften Bedingungen noch nicht endgültig.

Die Vermeidung chemischer Pestizide und der Wille zu einer umfassenden Renaturierung wird jedoch von allen begrüßt. Und obwohl das Ziel, bis 2030 in der EU die Verwendung chemischer Pestizide auf die Hälfte zu reduzieren, zugegeben hoch gesteckt ist, müssen wir noch viel weiter in die Zukunft blicken und uns für die Wiederherstellung von Europas geschädigter Natur einsetzen. Der Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagt zu Recht: „Wir Menschen sind auf die Natur angewiesen. Für die Luft, die wir atmen, für das Wasser, das wir trinken, für das Essen, das wir zu uns nehmen – um zu überleben. Ohne Natur geht auch in der Wirtschaft nichts. Die Klima- und die Biodiversitätskrise bedrohen die Grundlagen des Lebens auf der Erde.“ Und die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, ergänzt: „Wir müssen den Einsatz chemischer Pestizide verringern, um Boden, Luft und Lebensmittel und so letztlich die Gesundheit der Menschen in der EU zu schützen. Zum ersten Mal wird der Einsatz von Pestiziden in öffentlichen Gärten und auf Spielplätzen verboten und damit sichergestellt, dass wir alle im Alltag weniger damit in Berührung kommen. Die Gemeinsame Agrarpolitik wird Landwirte über einen Zeitraum von fünf Jahren finanziell unterstützen, damit sie alle infolge der neuen Vorschriften anfallenden Kosten decken können. Wir werden niemanden im Stich lassen.“ 

Mit der neuen Düngeprodukteverordnung wird die bisherige Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 abgelöst und bringt Änderungen für die Hersteller und Anwender auf dem europäischen und deutschen Düngemittelmarkt mit sich. Noch im Lager befindliche EG-Düngemittel dürfen aber zunächst noch verkauft und angewendet werden. 

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.