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27. Mär 2019

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Wirtschaft

„Durch KI wird eine Selbststeuerung von Containern möglich“

Journalist: Frank Tetzel

Ein Interview mit Prof. Dr. Peer Witten, Mitglied des Aufsichtsrats der Otto Group und Vorsitzender des Kuratoriums der Logistik-Initiative Hamburg, Ehrenvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

Herr Professor Witten, das Internet of Things spielt in der Logistik eine immer größere Rolle. Stichwort digitale Infrastruktur. Wo steht Deutschland dabei im europäischen Vergleich und wo im internationalen Ranking. Und wo besteht Ihrer Ansicht nach der größte Nachholbedarf und die größten Herausforderungen?

Deutschland steht im internationalen Vergleich sowohl beim Glasfaserausbau also auch in der Breitbandverfügbarkeit hinten an. Beim Glasfaserausbau haben wir eine Abdeckung von weniger als 3 Prozent der Haushalte. Für die Logistik 4.0 ist zwingend der flächendeckende 5G-Standard erforderlich, um die gigantischen Datenmengen in absoluter Echtzeit zu übertragen. Damit wird die Voraussetzung für intelligente Verkehrslenkung, selbststeuernde Einheiten – wie der smarte Container-, Platooning bis hin zum vollständig autonomen Fahren geschaffen.

Heute ist der 5G-Standard nur in geschlossenen Testfeldern vorhanden (z.B. im Hamburger Hafen). Die schnelle und flächendeckende Umsetzung des Standards nach der Vergabe der Lizenzen wird eine große Herausforderung sein. Die Anbieter müssen die notwendigen Infrastrukturausbauten (Sendemasten) nicht nur ertüchtigen, sondern auch im erheblichen Maße zusätzliche Masten errichten. Dieses ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern in der Umsetzung auch eine Frage von kurzfristigen Genehmigungen insbesondere bei zu erwartenden Einsprüchen der betroffenen Anwohner. Tempo ist hier geboten, damit Deutschland seine Position als Logistikweltmeister auch durch Technologieführerschaft verteidigen kann.

Der Brexit ist in aller Munde und beeinträchtigt die Konjunkturerwartungen in Deutschland. Dies betrifft vor allem auch die Logistikbranche. Einstmals europäisches Binnenland wird jetzt wieder zum Zollausland, wie gut ist die Logistikbranche darauf eingestellt und welche automatisierten Möglichkeiten auf diese Entwicklung einzugehen, existieren inzwischen? Denn der Warenverkehr zwischen den siebziger Jahren, als Großbritannien Mitglied der EU wurde, und heute hat sich erheblich gesteigert.

Wenn es zum worse case eines ungeregelten Brexit käme – was ich persönlich nicht erwarte – würde dies kurzfristig aufgrund von Grenzkontrollen und Zoll- und Einfuhrbarrieren zu erheblichen Problemen im Warenverkehr zwischen UK und der EU führen. Die für eine zügige Grenzabwicklung notwendigen IT-Systeme der Behörden sind mangels fehlender Vorgaben und Übergangsregelungen noch nicht realisiert. Die Logistik auf beiden Seiten des Kanals bereitet sich seit längerem auf unterschiedliche Szenarien vor und überarbeitet dazu ihre Supply Chains. Maßnahmen wie bspw. Pufferläger oder Verlagerung von Zulieferbetrieben stehen zur Diskussion.

Unabhängig von kurzfristigen Umstellungsproblemen führt ein Brexit zu einem deutlichen Rückgang der Warenströme zwischen Großbritannien und dem EU-Kontinent mit erheblichen Auswirkungen auf Produktion und Logistik. Eine aktuelle Studie des Leibnitz-Instituts geht von einem Verlust von deutschlandweit 6.600 Arbeitsplätzen in der Logistik aus. Dieses ist für sich genommen zwar eine große Zahl, relativiert sich aber bei einer Beschäftigtenzahl in der Logistik in Deutschland von über 3 Mio. im Jahr 2018.

Wo wird KI heute in der Logistik schon eingesetzt und wohin treibt es die Branche in Zukunft?

Durch Anwendung von künstlicher Intelligenz wird eine Selbststeuerung der Einheiten (z.B. des Containers) ermöglicht. Wenn eine Containerladung droht zu verderben, kann der Container z.B. eine vorzeitige Entladung selbstständig veranlassen. Wenn also der Container in der Lage ist, nicht nur in vorprogrammierte Szenarien mit seiner Umwelt zu agieren, sondern durch Lernprozesse eigenständig neue Varianten zu entwickeln, spricht man vom „autonomen Container“. Damit sind wir im „Zeitalter der Autonomie“ angekommen, welches ganz neue Möglichkeiten sowohl für die Intralogistik als auch für den Gütertransport von der Disposition über die Routenoptimierung in Echtzeit bis zum autonomen Fahren auf Straße, Schiene, zu Wasser und in der Luft bietet.

Die Frage des Klimaschutzes und der Ausstieg aus fossilen Energien ist derzeit auch ein Treiber der Verkehrswende. Die Logistikbranche ist davon stark betroffen. Elektrofahrzeuge sind – zumindest im KEP Bereich – auf dem Vormarsch. Welche Rahmenbedingungen benötigt die Branche, um erfolgreich diese Wende meistern zu können.

Die Klimaziele können nicht nur durch alternative Antriebe erreicht werden, sondern die KEP-Dienste arbeiten an einer „emissionsfreien letzten Meile“, die durch neue intelligente Konzepte wie die Kombination von Mikrohubs mit Lastenrädern gekennzeichnet ist. 

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.