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1. Okt 2025

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Gesellschaft

Ein Haus mit Haltung – Im Interview mit Hadi Teherani, Architekt

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Martin Mai

Hadi Teherani hat das 1928 und 1929 von den Architekten Fritz Block und Ernst Hochfeld erbaute Deutschlandhaus, das nach dem Zweiten Weltkrieg verändert wieder aufgebaut wurde, mit viel Leichtigkeit, Licht und Leben neu geschaffen. Hier spricht der Star-Architekt darüber, warum ein guter Entwurf mindestens so wichtig ist wie eine gute Dämmung.

Herr Teherani, Licht, Glas, geschwungener Grundriss und Palmen… das Deutschlandhaus in Hamburg ist ein sehr elegantes Gebäude. Was waren Ihre wichtigsten eigenen Gestaltungsvorgaben?

Wir arbeiteten in einem sensiblen städtebaulichen Kontext: Ein Gebäude der 1920er-Jahre mit historischen Fachwerkhäusern im Umfeld prägte ursprünglich den Ort. Unsere Aufgabe war daher keine freie Erfindung, sondern eine Weiterentwicklung innerhalb klarer Baulinien – inspiriert von der Tradition der Hamburger Kontorhäuser mit ihrer charakteristischen Staffelung nach oben, wie beim Chilehaus. Wichtig war uns, dieses Erbe eigenständig zu interpretieren. Deshalb haben wir den Backstein zwar beibehalten, ihn jedoch senkrecht angeordnet und das Gebäude „auf Beine gestellt“: Die Stützen sind unten breit, verjüngen sich nach oben, während die Fenster größer werden. Daraus folgt eine Geste der Leichtigkeit zum Himmel hin, um das Haus quasi schweben zu lassen. So entsteht eine andere Haltung als beim alten Deutschlandhaus, das als historisches Denkmal nicht mehr zu retten war. Die äußere Form des Neubaus wirkt heute dennoch immer noch vertraut.

Im Inneren wollten wir Helligkeit und Großzügigkeit schaffen: Das Atrium als Herzstück des Gebäudes erinnert an das größte Lichtspielhaus Europas, das vor über 100 Jahren hier eröffnet wurde. In strahlendem Weiß bildet es einen Kontrast zur Fassade. Wasserbecken und Palmen schaffen eine unerwartete, in Hamburg einzigartige Innenraumatmosphäre. Damit erhält der Gänsemarkt ein Haus, das Haltung zeigt, den Platz fasst und zugleich offen und freundlich wirkt.

Was hat Sie an dem Entwurf besonders gereizt? Sie haben ja schon sehr viele Häuser und Gebäude entworfen.

Als Architekt reizt mich an solchen Wettbewerben, dass wir ein vorgegebenes Raumprogramm – etwa Büro-, Wohn- und Verkaufsflächen – in einem städtebaulichen Entwurf umsetzen können. Unser Konzept hat in diesem Fall überzeugt, und wir hatten das Glück, den Wettbewerb zu gewinnen. Unsere Herausforderung lag im schnellen Rückbau und Neubau ohne Störungen. In einer schwierigen Marktphase konnten wir mit der Haspa sofort einen Nutzer gewinnen. Heute erhalte ich auf dieses Gebäude besonders viel Resonanz, gerade bei Spaziergängen an der Alster danken mir Mitarbeitende für die Qualität ihres Arbeitsplatzes. Das erlebt man nicht bei jedem Neubau (lacht).

Als Architekt reizt mich an solchen Wettbewerben, dass wir ein vorgegebenes Raumprogramm – etwa Büro-, Wohn- und Verkaufsflächen – in einem städtebaulichen Entwurf umsetzen können.

Wie wichtig war es Ihnen, diesen Geruch der Gestapo, die da im Vorgänger Gebäude von 36 bis 45 ihr Unwesen trieb, zu entfernen? Haben Sie das bei der Begehung noch gespürt?

Von der ursprünglichen Handschrift der Architekten Fritz Block und Ernst Hochfeld war nach dem Wiederaufbau nach dem Krieg kaum etwas erhalten geblieben, sodass der Denkmalschutz keinen Erhaltungsgrund sah. Mit unserem Neubau entstand ein völlig neuer Ort: hell, offen, frei von der Schwere und dem Muff des Alten. Besonders schön ist die großzügige Dachterrasse, die sich über die gesamte Fläche zieht und einen weiten Blick über Hamburg bietet.

Das Gebäude ist ja nicht nur ein ästhetisches Highlight, sondern wurde sogar mit der Kategorie Leadership in Energy und Environmental Design LEED Gold zertifiziert. Was bedeutet das konkret für die Bauweise?

Wenn wir eine LEED Gold-, Silber- oder Platin-Zertifizierung erreichen wollen, dann müssen gewisse Dinge eingehalten werden. Nachhaltigkeit ist für mich seit Jahrzehnten selbstverständlich – schon lange vor LEED oder DGNB habe ich Gebäude mit Geothermie, innovativen Dämmstoffen und energieeffizienten Fassaden geplant. In unserem aktuellen Projekt schafft ein überdachter Innenhof ein Mikroklima, das Kühlung und Wärmeschutz ohne hohen Energieeinsatz ermöglicht und die Betriebskosten senkt.

Ein guter, durchdachter Entwurf ist die eigentliche Basis für Nachhaltigkeit in der Architektur.

Welche Nachhaltigkeitskriterien zeigen sich in der langfristigen Nutzung des Deutschlandhauses?

Nachhaltigkeit bedeutet für mich vor allem ein flexibles und langlebiges Design, nicht nur Energieeffizienz. Viele Gebäude der 1970er-Jahre mussten abgerissen werden, weil starre Grundrisse und niedrige Decken heutige Anforderungen nicht erfüllen. Dagegen sind Jugendstil- oder Gründerzeitbauten immer noch sehr flexibel nutzbar. Ein guter, durchdachter Entwurf ist die eigentliche Basis für Nachhaltigkeit in der Architektur.

Wie sehen Sie die Verantwortung von Architekturbüros angesichts des Klimawandels und der steigenden Temperaturen, besonders im innerstädtischen Bereich?

Die Verantwortung für den Klimawandel betrifft die ganze Gesellschaft, nicht nur Architekturbüros. Architekten müssen an die Zukunft denken und Gebäude so gestalten, dass sie der Gesellschaft nachhaltig und sehr lange dienen.

Fun Fact

Hadi Teherani…

… macht gerne einen Spaziergang um die Alster – aber nicht am Wochenende!

2. Okt 2025

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Gesellschaft

Lebensmittel sind weit mehr als bloße Konsumgüter – Ein Beitrag von René Püchner, Präsident Lebensmittelverband Deutschland

Sie sind Kultur, Identität, Genuss und Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt. Sie vereinen jahrhundertealtes Handwerk mit modernster Technik, globale Lieferketten mit regionalem Bewusstsein, individuelle Lebensstile mit kollektiver Verantwortung. Wer über Lebensmittel spricht, spricht über auch über die Art und Weise, wie wir leben, genießen und gestalten wollen. Unsere aktuellen Umfragedaten zeigen eindrücklich: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Lebensmittelvielfalt für wichtig. Zwischen dem 15. und 18. Juli 2025 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag unseres Verbandes 1.037 Menschen bundesweit. Das Ergebnis: 76 Prozent beurteilen Vielfalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Besonders deutlich ist die Haltung bei Jüngeren: 94 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betonen, wie essenziell Vielfalt für sie ist. Für 81 Prozent ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, für 78 Prozent integraler Bestandteil moderner Ernährung. Und 77 Prozent probieren gern Gerichte aus anderen Kulturen – ein Ausdruck von Neugier und kulinarischer Offenheit. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine Erwartung. Ein Grundbedürfnis in einer dynamischen, global vernetzten Gesellschaft. Die Lebensmittelwirtschaft trägt Verantwortung, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv zu gestalten – durch Transparenz, Qualität und Innovation. >Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Mit Blick auf soziale Teilhabe und Integration richtet sich unser Blick auch auf strukturelle Vielfalt. So hat der Lebensmittelverband gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „What the Food“-Forum: Diversity in the Food Industry initiiert, das am 18. September 2025 in Berlin stattfand. Unter anderem unter dem Motto „Migration als Erfolgsfaktor in der Lebensmittelbranche“ beleuchteten wir Beiträge von Menschen mit Migrationsgeschichte, diskutierten Chancengleichheit und kulturelle Sensibilität und zeigten, wie Vielfalt gelebt wird und Mehrwert schafft. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Lebensmittelwirtschaft stehen, sind durchaus komplex: Klimawandel und Ressourcenschutz erfordern neue Wege in Produktion, Logistik und Verpackung. Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, verlässliche Qualität, klare Informationen. Zugleich wünschen sie Vielfalt, Inspiration und genussvolle Erfahrungen. Diesen hohen Anspruch erfüllen wir. Wir setzen in Produktion, Entwicklung und Kommunikation auf qualitativ hochwertige Zutaten, klimafreundliche Verfahren, ressourcenschonende Verpackungen und kultursensible Ansätze. Als Lebensmittelverband Deutschland verstehen wir uns als Brücke: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir bieten Orientierung durch fundiertes Wissen, begleiten Trends faktenbasiert und fördern den Dialog über die Ernährung von morgen.

1. Okt 2025

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Gesellschaft

3 interessante Bauprojekte: Urban-Gardening-Flächen, nachhaltige Quartiere und grüne Stadtentwicklung

**Urban-Gardening-Flächen, Miyawaki-Wälder und grüne Innenhöfe – was für ein Campus!** Auf einem ehemaligen Industriegelände in Heilbronn entsteht der Bildungscampus Heilbronn West. Schon jetzt hat er von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) das Platin-Vorzertifikat für biodiversitätsfördernde Außenräume erhalten. Uni kann so schön sein. Das große Los haben diejenigen Studierenden gezogen, die beides haben: ein großartiges Lehrangebot und gleichzeitig großartige Gebäude. Der Bildungscampus Heilbronn am Neckarufer, der im Jahr 2030 fertiggestellt werden soll, ist solch ein Ort. Der Entwurf von pesch partner architekten stadtplaner GmbH und TOPOTEK 1 Landschaftsarchitekten versteht das neue Areal als „Wissensquartier als Stadt“. Er umfasst Forschungs- und Lehrgebäude, studentisches Wohnen, sowie Sport- und Freizeitangebote. Schon heute studieren dort über 8.000 Menschen in 16 Einrichtungen, die ein breites Spektrum für alle Phasen des lebenslangen Lernens abdecken. Nachhaltigkeit wird beim Campus Heilbronn großgeschrieben: Fassaden sollen zu einem Drittel begrünt werden, um Hitzeinseln zu vermeiden und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Geplante Urban-Gardening-Flächen, Miyawaki-Wälder und grüne Innenhöfe versprechen Erholung und Entspannung für Geist und Seele. Der von der Dieter Schwarz Stiftung finanzierte Campus wird konsequent Biodiversität fördern: 40 Prozent des Außenraums und der Gebäudehüllen werden naturnah gestaltet, 70 bis 80 Prozent der Dächer begrünt. Retentionsgründächer verbessern den Wasserkreislauf, während Biodiversitätsbausteine wie Totholz, Kleingewässer oder Sandflächen wertvolle Lebensräume für Insekten schaffen. Trocken- und Feuchtbiotope bieten Amphibien geeignete Rückzugsräume, Baumgruppen und Hecken dienen Vögeln als Nistplätze. Uni kann eben nicht nur schön sein, sondern auch nachhaltig. ![230713_Dietenbach_Kaeserbachpark_(c)LINK3D, Stadt Freiburg Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/230713_Dietenbach_Kaeserbachpark_c_LINK_3_D_Stadt_Freiburg_Online_b6fa12c49d.jpg) **Leben in Freiburg – bald im ambitioniertesten Nachhaltigkeitsprojekt im deutschen Wohnungsbau** Im neuen Stadtteil Dietenbach entstehen insgesamt 6.900 Wohnungen, die Hälfte davon geförderte Mietwohnungen. Der Stadtteil in Freiburg entwickelt sich so zu einem lebendigen Zuhause für rund 16.000 Menschen. Grün, cool, freundlich! Und dann noch Uni, Schwarzwald, die Schweiz und Frankreich in greifbarer Nähe! Kein Wunder, dass Freiburg seit Jahren eine der beliebtesten Städte Deutschlands ist und alle hierherziehen möchten. Die Kehrseite der Medaille: Wohnungsknappheit. Bereits in den 1990er- und 2000er-Jahren initiierte das Amt für Stadtplanung und Wohnungswesen der Stadt Freiburg deshalb einen neuen Stadtteil: Dietenbach. Auf einer bisher rein landwirtschaftlich genutzten Fläche soll ein nachhaltiger, klimaschonender Stadtteil mit bezahlbarem Wohnraum und hoher Lebensqualität entstehen. Dietenbach gilt heute als eines der größten und ambitioniertesten Nachhaltigkeitsprojekte im deutschen Wohnungsbau. Von Beginn an wurde er unter ökologischen, sozialen und städtebaulichen Gesichtspunkten geplant. Gebäude sollen besonders energieeffizient errichtet werden, Photovoltaik auf Dächern und Fassaden, erneuerbare Nahwärme, Abwärmenutzung, Fernwärme sowie grüner Wasserstoff sichern eine nahezu emissionsfreie Versorgung. Verkehrsberuhigte Quartiere, Grünflächen und Parks steigern zusätzlich die Aufenthaltsqualität und tragen zum Klima- und Hochwasserschutz bei. Rund die Hälfte der Wohnungen soll als geförderter Mietwohnraum geschaffen werden. Schulen, Kitas, Sportflächen und Einkaufsmöglichkeiten sollen im Quartier integriert und fußläufig erreichbar sein. Auch die Grundstücksvergabe folgt einem besonderen Prinzip: Nicht das Höchstgebot entscheidet, sondern die Qualität der Konzepte, die nach sozialen, ökologischen und städtebaulichen Kriterien bewertet werden. Leben in Freiburg – so cool! ![marek-lumi-uCf0s-uDR1s-unsplash Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/marek_lumi_u_Cf0s_u_DR_1s_unsplash_Online_3d059511cd.jpg) **Eyecatcher in der HafenCity** Die HafenCity Hamburg, eines der größten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekte Europas, verfolgt seit ihren Anfängen eine klare Nachhaltigkeitsstrategie. Die spektakulären, nachhaltigen Gebäude werden zu Besuchermagneten. Die HafenCity nutzt alte Hafenflächen und setzt verbindliche ökologische Standards um. Bereits 2007 wurde dafür das Umweltzeichen HafenCity geschaffen, das seit 2010 Voraussetzung für die Grundstücksvergabe ist, Neubauten müssen seit 2017 Platin erreichen. 2023 wurde das System in Kooperation mit der DGNB weitergeführt. Zu den Pionierbauten zählen der ehemalige Hauptsitz von Unilever mit seiner lichtdurchlässigen ETFE-Fassade und energieeffizienten Klimatechnik sowie die Elbarkaden mit einer der größten Solaranlagen Hamburgs. Großprojekte wie das Westfield Überseequartier mit seinen mehrfachen DGNB-Platin-Zertifizierungen zeigen, dass Nachhaltigkeit auch im Mixed-Use-Quartier umsetzbar ist. Die (begonnenen und künftigen) Bauvorhaben sollen rückbaubar, ressourcenschonend und schadstoffarm geplant werden. Holzbau spielt dabei eine zentrale Rolle, da er CO₂ speichert und durch Vorfertigung Bauzeiten verkürzt. Herausragende Beispiele sind das bereits realisierte „Roots-Projekt“ („Wildspitze“) sowie das sich im Bau befindliche „Moringa-Haus“, das als erstes Wohnhochhaus nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip realisiert wird. Geplant sind zudem die MSC-Deutschlandzentrale am Lohsepark mit Recyclingmaterialien und Solarenergie, das we-house Baakenhafen in Holzbauweise mit Dachgewächshaus und das Bürohochhaus New Green Home im Elbbrücken-Quartier mit begrüntem Innenhof und DGNB-Platin-Standard. Damit zeigt die HafenCity eindrucksvoll, wie konsequent Nachhaltigkeitsziele, Kreislaufwirtschaft als Eyecatcher in die Stadtentwicklung integriert werden können.