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29. Apr 2019

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Wirtschaft

Eine Branche vor dem großen Wandel

Journalist: Jörg Wernien

Seit Wochen besuchen chinesische Delegationen ein europäisches Land nach dem anderen. Sie reden mit Betreibern von Häfen und Eisenbahnen, versprechen viel Geld und Strukturmaßnahmen. Sie wollen die neue Seidenstraße aufbauen und benötigen Partner in aller Welt. Rund eine Billion Euro beträgt das Investitionsvolumen der Chinesen. Große Chancen für die Logistikbranche, sich in die „One Belt, One Road“ Initiative einzubringen.

Wie wirkt sich das auf der Messe „transport logistic“ aus? „Auf der Messe transport logistic stellen wir aktuell ein starkes Interesse aus China fest, da unsere chinesischen Partner den Zugang nach Europa suchen. China will mit der Seidenstraße-Initiative zwar klar seinen geopolitischen Einfluss stärken, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Aber: Die Initiative wird auch die Anzahl der Waren, die zwischen Europa und China transportiert werden können, signifikant steigern. Das wirkt sich positiv auf europäische Unternehmen aus. So geht beispielsweise die Deutsche Bahn davon aus, ihren Warentransport zwischen China und Europa von etwa 90.000 Containerbewegungen in 2018 auf 100.000 in 2020 steigern, sagt Stefan Rummel der Geschäftsführer der Messe München.

Aber auch die Digitalisierung der Logistik ist ein großes Thema auf der Messe. Gerade in der Logistik werden die spannenden Themen der Zukunft vorangetrieben. Der digitale Reifegrad ist hier besonders hoch, sagt Stefan Rummel. „In einer aktuellen Online-Umfrage unter 2.680 Logistikprofis aus allen Bereichen sehen sich 11 Prozent als Digitalisierungs-Pioniere, 33 Prozent der Befragten haben bereits eine digitale Gesamtstrategie im Unternehmen, 35 Prozent sagen, dass ihr Unternehmen mit Start-ups zusammenarbeitet. Von Internet-of-Things bis Künstliche Intelligenz – die Logistik mischt bei der Digitalisierung ganz vorne mit. „

Die Messe „transport logistic“ findet vom 04. bis zum 07. Juni auf dem Messegelände in München statt.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.