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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Erfolg entsteht nur durch Transformation

Journalist: Francisco Betti

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Foto: WEF

Francisco Betti, Head of Advanced Manufacturing and Value Chains, World Economic Forum

Die geopolitische Lage ist zur Belastungsprobe für die fertigende Industrie geworden. Um sie resilienter und nachhaltiger zu gestalten, hilft nur digitale Transformation, weiß Francisco Betti, Leiter der Plattform „Shaping the Future of Advanced Manufacturing & Value Chains“ des Weltwirtschaftsforums.

Globale Wertschöpfungsketten sind durch anhaltende Störungen wie Klimawandel, Pandemien und geopolitische Spannungen immer instabiler geworden. Die sich daraus ergebenden negativen Auswirkungen auf die Fertigung und Produktion haben immense Folgen für Wirtschaft, Menschen und humanitäre Bemühungen. Da steigende Inflation und Materialknappheit den Druck auf die Fertigungsunternehmen erhöhen, benötigen wir skalierbare Technologien der vierten industriellen Revolution. Diese sind über mehrere Fabriken und Geschäftsfunktionen hinweg der Schlüssel zum schnelleren Erreichen strategischer Ziele – wie Geschäftswachstum, Widerstandsfähigkeit und umweltfreundlichere, ressourcenschonende Prozesse.

Die Fähigkeit der industriellen Akteure, das Potenzial der vierten industriellen Revolution auszuschöpfen, wird davon abhängen, wie effektiv sie drei Kernprinzipien annehmen können:  

• einen neuen langfristigen Fokus auf Resilienz als Haupttreiber für Produktivität, Wachstum, Nachhaltigkeit und Inklusivität

• Technologieakzeptanz und Stärkung der Belegschaft in großem Maßstab

• Kollaboration im Produktionsökosystem

„Resilienz ist die neue Grundlage für die Zukunft und die Gesundheit unserer industriellen Systeme, die dann Wachstum, Nachhaltigkeit und Inklusivität ermöglichen können.“

Um eine wirtschaftliche Rezession zu verhindern, müssen wir die Herausforderungen nutzen, um die fertigende Industrie resilienter und nachhaltiger zu gestalten. Resilienz ist die neue Grundlage für die Zukunft und die Gesundheit unserer industriellen Systeme, die dann Wachstum, Nachhaltigkeit und Inklusivität ermöglichen können. Wenn wir Ungleichheit beheben und Nachhaltigkeit erreichen wollen, müssen wir die Fähigkeit der Fertigung verbessern, widerstandsfähig zu sein und zum Wohlergehen unserer Volkswirtschaften beizutragen. Das gelingt nur dann, wenn es zu einer vollständigen Umgestaltung der Wertschöpfungsketten und Produktionssysteme und zur Verbreitung von Technologien in den gesamten Produktionsnetzwerken kommt – und zwar über das Hinzufügen zusätzlicher Methoden zu bestehenden Prozessen hinaus.

Dann wäre da noch die Frage der digitalen Kompetenz. Der nächste Schritt heißt: Technologieakzeptanz und Stärkung der Belegschaft. Die Hersteller müssen ihre Mitarbeiter weiterbilden oder umschulen, damit sie mit der neuen Technologie vertraut werden. Industrie 4.0 ist ein langfristiges und kostenintensives Unterfangen, das sich möglicherweise nicht im nächsten Quartal auszahlt. Es ist entscheidend, dass Unternehmen auch das Potenzial der digitalen Transformation als Multiplikator nutzen und nicht nur darauf abzielen, einen einzigen Standort, sondern auch mehrere Knoten und Funktionen in ihrem Produktionsökosystem zu transformieren.

Dafür sollten bei Unternehmen klare digitale Visionen oder Strategien für die Transformation vorhanden sein. Es geht letztlich darum, die beste Kombination von Technologien zu finden, um ganz bestimmte betriebliche oder geschäftliche Herausforderungen zu bewältigen. Unternehmen müssen verstehen, wo sie stehen, sich selbst bewerten und die richtigen Partner finden – von Technologie – und  Lösungsanbietern bis hin zu Universitäten, Regierungen und internationalen Organisationen.

Eine vollständig vernetzte Wertschöpfungskette ist entscheidend für den Erfolg der Industrie 4.0. Es geht nicht nur darum, die eigenen Anlagen zu digitalisieren, sondern auch ihre Zulieferer in den Transformationsprozess mit einzubeziehen. Dadurch können nicht nur Produktivität, Effizienz und Wachstum gesteigert, sondern auch neue Geschäftsmodelle ermöglicht werden. Die Zukunft gehört jenen Unternehmen, die bereit sind, sich den Veränderungen zu stellen und neue Chancen zu nutzen.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.