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19. Dez 2022

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Gesellschaft

„Erlaubt ist, was gefällt“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse

Iria Degen ist eine der renommiertesten Innenarchitektinnen der Schweiz. Im Interview spricht sie über Räume zum Wohlfühlen und No-Gos.

Welchen Stil empfehlen Sie zur Weihnachtszeit im Kreise der Familie?
Das lässt sich so pauschal gar nicht beantworten, weil jeder sehr individuell ist. Ich persönlich hole gerne kuschelige Decken und Duftkerzen hervor. Es ist auch die Zeit von Finken und Bett-Flaschen, die bei uns hoch im Kurs stehen. Auch wenn ich gar kein Fan von Rot bin: Zu Weihnachten hat diese intensive Farbe durchaus Berechtigung.

Muss es immer ein Tannenbaum, Kerzen und Kamin sein?
Einen Kamin habe in meiner Stadtwohnung nicht, aber ein üppiger Adventskranz und Nordmann-Tannen sind mir wichtig. Tannenbäume, die noch im Topf sind, lassen sich später wieder einpflanzen. Die muss man auch gar nicht groß schmücken, denn sie sind von Natur aus effektvoll. Auf meiner Terrasse sind diese Tannen mit ein paar kleinen Lichtern jeweils ein Blickfang.

Was zeichnet für Sie während der dunklen Jahreszeit ein gemütliches Heim aus?
Wenn es früh einnachtet, ist die Lichtsituation entscheidend für die Stimmung. Im Innern dimme ich alles ein bisschen runter und arbeite mit Akzentlicht. Ich bevorzuge indirektes Licht und Kerzen. Ebenfalls attraktiv sind kabellose Leuchten, die problemlos überall durch den Raum wandeln. Und man sollte mit Düften arbeiten – schwereren Düften, wie Amber, Gewürznoten oder Zeder. Das sind meine Assoziationen mit dieser Jahreszeit.

Würden Sie ihr Design als Gegenpol zur schnelllebigen Zeit bezeichnen?
Ja, unbedingt. Seit über 22 Jahren verfolge ich mit meinem Büro das Ziel, zeitloses Design zu entwerfen. Reizarme Interieurs für eine erholsame Umgebung. Man soll hier zur Ruhe kommen, Energie tanken und seine Balance finden im hektischen Alltag. Mein Design ist deshalb bewusst aufgeräumt und schlicht, aber dennoch mit ganz persönlichen emotionalen Ankern.

Gibt es überhaupt ein No-Go bei der Einrichtung?
Wenn es die Persönlichkeit der Bewohner widerspiegelt, dann gibt es eigentlich keine No-Gos. Das ist wie in der Mode: erlaubt ist, was gefällt! Ganz anders sieht es in der professionellen Beratung aus, da gibt es schon gewisse No-Gos. Etwa dann, wenn es nicht funktional wäre. Die Einrichtung sollte die Bedürfnisse der Personen abdecken, keine kurzlebigen Trends nachahmen und übergeordneten Wohlfühlcharakter erzielen. Wir haben als Innenarchitekten die Verantwortung, Funktion mit der Ästhetik zu verbinden und die beste Lösung für den Raum aufzuzeigen.

In der Schweiz gibt es eine wachsende Nachfrage an Beratung in Sachen Inneneinrichtung. Wie macht sich das bemerkbar?
Unsere Branche zählt zu den Gewinnern der traurigen Pandemie. Menschen verbringen jetzt noch mehr Zeit bei sich zu Hause – und jeder möchte sein Eigenheim irgendwie verschönern. Unsere Kunden sind unglaublich gut informiert. Sie lesen Fachmagazine und erstellen ihre eigenen Moodpages auf Pinterest. Um einen Mehrwert durch die Beratung zu garantieren, müssen wir regelmäßig Messen besuchen, uns weiterbilden und ständig Up-to-date sein – das hat sich im Gegensatz zu früher verändert.

Können Sie über den Stil erkennen, was für ein Mensch in einer Wohnung lebt?
Hat jemand Kunst an der Wand, oder Pflanzen im Innenraum? Wie groß ist die Ankleide? Wie ist der Haushalt organisiert? Ist jemand strukturiert oder chaotisch? Was wird gesammelt? Wie wichtig ist das Kochen? Ich würde mich schon als Psychologin bezeichnen, die durch aufmerksames Beobachten den Charakter der Bewohner entschlüsseln kann.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.