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18. Dez 2019

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Wirtschaft

Es wird weniger geklimpert und mehr mit Karte bezahlt

Journalist: Katja Deutsch

Auch wenn den meisten in Deutschland lebenden Bürgern ihr Bargeld nach wie vor heilig ist, wurden im Jahr 2018 Im Einzelhandel erstmals mehr Zahlungen mit Karten als mit Scheinen und Münzen vorgenommen.

Das Handelsforschungsinstituts EHI hatte im Mai dieses Jahres knapp 60 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes ausgewertet und dabei Daten zu Bezahlvorgängen quer durch alle Branchen verglichen. Das Ergebnis zeigt, dass der Bargeldanteil hierzulande insgesamt erstmals unter die 50 Prozent Hürde gesunken ist, nämlich auf genau 48,3 Prozent. Anstatt mühsam ihr Kleingeld zu zählen, greifen immer mehr Kunden also lieber zur Karte: In 48,6 Prozent aller geleisteten Zahlungen kam dabei im stationären Handel eine Giro- oder Kreditkarte zum Einsatz.

Vor allem die Girokarte wird gerne gezückt. Dabei entscheidet der jeweilige Händler, ob der Kunde auf dem Kassenbon unterschreiben oder aber eine vierstellige Geheimzahl eintippen soll. Mit knapp 30 Prozent am gesamten Kartenanteil liegt die EC-Zahlung mit PIN-Eingabe weit vorne, während nur noch bei jedem zehnten Girocard-Bezahlvorgang unterschrieben werden muss. Für den Händler ist das Unterschriften-System, das ein Lastschriftverfahren auslöst, zwar etwas günstiger, aber bei ungedecktem Kundenkonto haftet er selbst. Zudem können Kunden bei Beträgen unter 25 Euro nur beim PIN-System kontaktlos bezahlen, beim Unterschriftensystem besteht diese Möglichkeit nicht.

Bei Onlinekäufen dagegen liegen PayPal (und ähnliche Anbieter) und Kauf auf Rechnung ganz weit vorne. PayPal knüpft damit auch hierzulande an seinen weltweiten Erfolgskurs (über drei Milliarden Transaktionen weltweit im dritten Quartal 2019) an. Knapp jeder vierte Onlinekauf wurde auf Rechnung beglichen, nur 18 Prozent auf Lastschrift oder Kreditkarte. Sechs Prozent aller online getätigten Käufe wurden mit Direktzahlung über das Bankkonto getätigt.

Doch nicht nur Scheine und Plastikkarten tummeln sich in den Geldbeuteln, auch das Smartphone wird immer öfter an die Kasse gehalten – auch wenn der Anteil des smarten Bezahlens insgesamt noch recht gering ist. Um mit dem Smartphone mobil bezahlen zu können, nutzen Kunden gerne. Zahldienste wie PayPal, Payback Pay, Google Pay und Apple Pay (das sich nur von i-Phone-Nutzern anwenden lässt).

Payback Pay gilt als Marktführer beim mobilen Bezahlen. Unter anderem bieten Rewe, Real und dm das Bezahlen per App des Bonusprogramms Payback an. Die Datenübertragung per QR-Code funktioniert auf iPhones als auch auf Android-Geräten. Um Google Pay nutzen zu können, brauchen Kunden erstens ein Android-Smartphone und zweitens eine Kreditkarte eines kooperierenden Finanzdienstleisters wie Commerzbank, Comdirect, BW-Bank, N26, Wirecard, VIMPay oder Revolut.

Kontaktlos bezahlen können Kunden in Deutschland übrigens nicht nur mit NFC-fähiger Kreditkarte und Smartphone, sondern auch mit NFC-fähiger Smartwatch. Die Uhr am Handgelenk beschleunigt den Bezahlvorgang weiterhin, denn sie muss noch nicht einmal aus einer Tasche gezogen werden. In China geht es mancherorts sogar noch schneller – man bezahlt dort mit seinem Gesicht via Face ID. Ob das in Deutschland jemals gewollt sein wird, ist fraglich.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.