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14. Dez 2023

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Wirtschaft

Fördern und Fordern

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse

Prof. Dr. Quaschning ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Als einer der renommiertesten Experten fordert er, das erneuerbare Energie deutlich stärker und schneller gefördert werden muss.

Der Ausbau der erneuerbaren Energie ist dringender als je zuvor. Wie könnte sich dieser Prozess beschleunigen lassen?
Wir müssen den Ausbau erneuerbarer Energien mit dem gleichen Willen vorantreiben wie den Umbau der Erdgasinfrastruktur. Wenn ein LNG-Terminal in Deutschland in weniger als einem Jahr gebaut werden kann, muss das doch auch mit einem Windpark möglich sein. Der uneingeschränkte Wille dazu fehlt aber immer noch und dieser Wille muss von allen demokratischen Parteien gemeinsam ausgehen.

Sie sagen, dass Deutschland bei den Krisen der letzten drei Jahre immer nur als Getriebener gehandelt hat. Was muss sich ändern?
Deutschland fährt seit Jahren nur auf Sicht. Angesichts der immer größeren Krisen, die sich vor uns auftürmen, ist das die absolut falsche Politik. Wir brauchen jetzt strategische Entscheidungen, die uns langfristig auf den richtigen Weg bringen, auch dann, wenn diese kurzfristig unbequem erscheinen. Dann entsteht auch die Planungssicherheit, die Investoren und Industrie für die schnelle Transformation dringend brauchen.

Sowohl von der Politik als auch der Wirtschaft müssen erneuerbare Energien deutlich stärker gefördert werden. Welche Maßnahmen wünschen Sie sich?
Wir müssen gleichzeitig fördern und fordern. Technologien, die uns in die Sackgasse führen, wie die Gasheizung oder der Verbrennermotor, dürfen nicht mehr neu auf die Straße kommen. Für den Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Speicher muss es hingegen möglichst einfache Regeln und ausreichende Anreize geben.

Für eine Windkraftanlage gibt es einen Planungshorizont von sieben bis zehn Jahren. Bremst Bürokratie die Energiewende aus?
Ja. Es ist inzwischen einfacher, in Deutschland eine Munitionsfabrik zu bauen als einen Windpark. Die Bürokratiemonster wurden von den letzten Regierungen geschaffen, um bei der Energiewende Tempo rauszunehmen. Das gilt es nun schnellstmöglich zu korrigieren. Wir müssen die Regeln umdrehen. Liegt die Genehmigung nicht nach einigen Monaten vor, gilt der Windpark einfach automatisch als genehmigt. Fertig.

Bis 2035 plant die Bundesregierung 100 Prozent Ökostrom. Können wir so die Pariser Klimaziele erreichen?
Strom umfasst momentan nur einen kleinen Teil unseres Energiebedarfs. Wollen wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten, muss unser gesamter Energiebedarf bis 2035 ausschließlich mit erneuerbaren Energien gedeckt werden, also auch beim Verkehr, der Wärme und der Industrie.

Politikerinnen und Politiker sollten eigentlich auf die Expertise der Wissenschaft vertrauen. Warum hören so wenige auf die Mahnungen der Experten?
Weil wir so lange wirksamen Klimaschutz verschleppt haben, brauchen wir inzwischen sehr ambitionierte Maßnahmen, die nicht alle Menschen begrüßen werden. Viele Politikerinnen und Politiker wählen darum den einfachen Weg: Augen zu und Weiter so. Weil wir quasi wie die Titanic mit Volldampf auf einen Eisberg zusteuern, ist das sicher nicht die beste Strategie. Je früher wir das erkennen und das Ruder rumreißen, umso mehr Menschen werden überleben.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.