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26. Sep 2023

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Gesellschaft

Glücklicher durch Nachhaltigkeit

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: KAS - Harals Odehnal

Prof. Dr. Klaus Töpfer war von 1987 bis 1994 Bundesumweltminister, von 1998 bis 2006 Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Der Experte spricht im Interview über persönliche Verantwortung und die Wichtigkeit der Kreislaufwirtschaft.

Herr Prof. Dr. Töpfer, Sie haben in einem Interview über Klimaschutz mal gesagt, Sie seien radikaler geworden. Wie zeigt sich das?
Über meine politische Laufbahn hinweg habe ich die Erkenntnisse Bismarcks lange Zeit recht vordergründig akzeptiert: Politik ist die Kunst des Möglichen. Mit Blick auf den Klimawandel sah ich mich in dieser Formel nicht mehr wieder. Mir wurde klar: Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen. Die acht Jahre, die ich das Umweltprogramm der Vereinten Nationen in Nairobi geleitet habe, haben dieses Umdenken entscheidend verstärkt. Nicht staatlich gesetzte Preise allein, sondern klares Ordnungsrecht sind die Konsequenz.

Mit der Verpackungsverordnung aus dem Jahre 1991 haben Sie Hersteller von Verpackungen in die Pflicht genommen, die Entsorgung von Verpackungen organisatorisch und finanziell zu verantworten. Sind Sie mit der Entwicklung bis jetzt zufrieden?
Zunächst bin ich im Rückblick zufrieden, dass wir die Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft als Erste weltweit in Angriff genommen haben. Die Zielsetzung wurde in der Umsetzung nicht aufgegriffen, wie wir erhofft hatten: Mit dem Grünen Punkt konnten sich die Hersteller für Verpackungen aller Art der Pflicht entledigen, bereits bei dem Entwurf von Verpackungen eine Nutzung nach Ende dieser Funktion einzubeziehen – einschließlich auf Verpackung zu verzichten. So wurde der Grüne Punkt letztlich zu einer zusätzlichen Belastung der Verbraucher – die am wenigsten an der Verpackung ändern konnten.

Die Welt und ihre Natur müssen gegenwärtig bereits das Leben von über 8 Mrd. Menschen tragen. Eine lineare Wegwerfgesellschaft kann diese Leistung nicht erbringen.

Wieso ist Kreislaufwirtschaft so wichtig für die nachhaltige Transformation der gesamten Wirtschaft?
Die Welt und ihre Natur müssen gegenwärtig bereits das Leben von über 8 Mrd. Menschen tragen. Eine lineare Wegwerfgesellschaft kann diese Leistung nicht erbringen. Die Zukunftsfähigkeit erzwingt eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Sie wird neue Märkte erschließen. Als Beispiel: Mit der Verpackungsverordnung haben wir mit der Entsorgungswirtschaft einen weltweit führenden Wirtschaftsbereich erschlossen – mit höchster Technologie und der Mitwirkung der Bevölkerung. Der Status quo ist keine Zukunftsoption – nicht wirtschaftlich, nicht sozial, nicht ökologisch. Und nochmals: Dafür ist eine klare Ordnungspolitik erforderlich.

Was sollen Markenhersteller und Verpacker heute tun, um die Kreislaufwirtschaft weiter anzukurbeln?
Es ist im eigenen Interesse eines jeden Markenherstellers und Verpackers, Kreisläufe zu schließen. Mit den immer komplexer werdenden Technologien wird das unvermeidlich für wirtschaftlichen Erfolg. Zunehmend werden uns Knappheiten der Leistungen der Natur bewusst – vom Wasser über Artenverlust bis zu Sand! Meine Vision: Deutschland als Weltmarktführer in der Kreislaufwirtschaft. Diese Märkte sind Grundlage jeder Nachhaltigkeit.

Was erwarten Sie von den Gesetzgebern in Deutschland und der EU bezüglich der Kreislaufwirtschaft?
Es ist höchst bemerkenswert, dass die EU neben der Energie und der Biodiversität die Kreislaufwirtschaft als tragende Säule des „Green Deal“ fixiert hat. Gesetze werden erarbeitet, Ordnungsrecht wird verankert. Deutschland und Europa als führende Forschungsregionen werden weitere Technologien entwickeln und sie weltweit verfügbar machen.

Schaffen wir es, wettbewerbsfähiger Industriestandort zu sein und trotzdem ambitionierte Klimaziele zu erreichen?
Wie gesagt: Deutschland als Weltmarktführer der Kreislaufwirtschaft – das baut die unerträglichen Subventionen unseres aktuellen Lebensstils ab. Die Abwälzung von Kosten wird auf allen Ebenen abgebaut. Das Bruttosozialprodukt wird immer weniger bedeutsam in seiner gegenwärtigen Berechnung. Das Bruttoglücksprodukt wird auch die Leistungen berücksichtigen, die keine Marktpreise haben aber entscheidend für unser Lebensglück sind. „Glücksvermehrung“ als entscheidendes politisches Ziel! Das könnte auch endlich dazu führen, dass wir uns neben der Effizienz und der Resilienz auch der Suffizienz bewusst werden. Dies verändert Strukturen, nicht nur Ergebnisse. Damit sind wir zurück bei der Radikalität, die Sie anfangs erfragt hatten.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.