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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Hannover Messe: Auf dem Weg zu Transformation

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Deutsche Messe

Die wichtigste Industriemesse der Welt setzt vom 17. bis 21. April klare Impulse für die Transformation von Wirtschaft und Industrie. Rund 4.000 Unternehmen aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Digitalindustrie sowie der Energiewirtschaft bieten Lösungen für eine vernetzte, nachhaltige sowie klimaneutrale Industrie.

Unterschiede machen durch Veränderung und Innovationen – so lautet das Leitthema der Hannover Messe 2023. Genauer: „Industrial Transformation – Making the Difference". Konzerne, Mittelstand, Start-ups sowie Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sind gefordert diesen Wandel umzusetzen. „Nur im Zusammenschluss kann es gelingen, die industrielle Produktion und damit unseren Wohlstand und unsere Zukunft nachhaltig zu sichern und gleichzeitig den Klimaschutz voranzutreiben“, erklärt Messeboss Dr. Jochen Köckler. „CO2-neutrale Produktion, Künstliche Intelligenz, Wasserstofftechnologien, Energiemanagement und Industrie 4.0 – das sind die übergreifenden Themen der Messe.“ Von der Digitalisierung und Automatisierung komplexer Produktionsprozesse über den Einsatz von Wasserstoff zur Energieversorgung von Fabriken bis hin zur Anwendung von Software zur Erfassung und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks bietet die Veranstaltung einen komplexen Überblick.

Mehr als 4.000 Unternehmen aus aller Welt stellen sich den Aufgaben und zeigen Lösungen für die Produktion und Energieversorgung der Zukunft. Angekündigt haben sich Tech-Unternehmen wie Bosch, Capgemini, Dassault Systemes, Microsoft, Nokia, Salzgitter oder Siemens sowie mittelständisch geprägte Technologieführer. Forschungsinstitute wie Fraunhofer oder das KIT (Karlsruher Institut für Technologie) skizzieren die Industrielösungen für morgen. So sollen allein mehr als 300 Start-ups aus unterschiedlichen Technologiefeldern Innovationen mit disruptivem Potenzial zeigen. Unternehmen aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Digitalindustrie sowie der Energiewirtschaft bilden ein industrielles Ökosystem, das die notwendigen Veränderungen dank Innovationen möglich machen soll.

Als Pioniere der Transformation gelten Antriebs- und Fluidtechnik – sie sind die zentralen Bausteine der Maschinen für Kraft und Bewegung und gleichzeitig Datenquelle für digitale Mehrwertdienste. Immer im Fokus steht auch dort die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks gesamter Produktionsprozesse mittels Digitalisierung. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung besitzt mittlerweile einen hohen Stellenwert, wie eine Umfrage unter den Mitgliedern des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) 2022 beweist – im Vergleich zu 2019 hat sich die Anzahl der Unternehmen, die sich mit Klimazielen beschäftigen, verdreifacht.

Die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Fachverbände, wie etwa Carbon Footprint, Digitaler Produktpass oder Kreislaufwirtschaft, ergänzen zwei neuen Leitfäden zur Kreislaufwirtschaft und klimaneutraler Produktion. Noch eine Neuerung gibt es auf der Hannover Messe: Die VDMA-Initiative „Carbon Busters Award“. Hier werden Ideen von jungen Mitarbeitenden zur Reduzierung des CO2-Verbrauchs vorgestellt und ausgezeichnet. Zusätzlich präsentieren VDMA, ZVEI und Deutsche Messe die „Industrial Wireless Arena + 5G Networks & Applications“. Mit Use Cases möchte man darstellen, welche technologischen Innovationen es im Bereich der Wireless-Technologien gibt – und welche für die Zukunft entwickelt werden müssen. „Drahtlose Kommunikationssysteme zählen in den kommenden Jahren zu den wichtigsten Bausteinen auf dem Weg zur digitalen Transformation der Industrie, wir bringen diese junge Community zusammen“, sagt Reinhard Heister, Geschäftsführer der VDMA Arbeitsgemeinschaft Wireless Communications for Machines.

Wie wichtig der Wandel und die Dekarbonisierung sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen: In der EU haben Industrieprozesse einen Anteil von fast zehn Prozent an den Treibhausgas-Emissionen. Um das zu ändern, stellen Unternehmen eine Vielzahl an  Dekarbonisierungsstrategien auf der Hannover Messe vor. Sie reichen von der CO2-Kreislaufführung über die Markteinführung CO2-armer Verfahren wie die Thermoakustik, die effizientere Materialnutzung und die Elektrifizierung von Prozesswärme bis zur Umstellung auf Wasserstoff oder den Ausbau der Kreislaufwirtschaft. „Für jede der aktuellen globalen Herausforderungen werden auf der Hannover Messe Lösungsansätze gezeigt“, betont Messechef Köckler.

Von Industrie 4.0 über sichtbare Energieströme bis hin zum grünen Wasserstoff – nur im Zusammenspiel kann es gelingen, die Herausforderungen zu meistern. Dazu braucht es Daten, auf die alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen zugreifen können. Ein neues zusammenhängendes und sicheres Datenökosystem soll Abhilfe schaffen: Manufacturing X. Erste Schritte zur Umsetzung von Manufacturing X werden in Hannover vorgestellt. Künftig sollen „Smart Energy Monitoring“-Lösungen dabei helfen, Energieverbräuche auf Maschinenebene zu ermitteln, zu optimieren und damit den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Ohne intelligente Steuerungstechnik und das Zusammenspiel von Elektrotechnik und IT sind Effizienzsteigerungen bei der Energie kaum umsetzbar.

„Die Industrie verbraucht etwa 45 Prozent des Stroms in Deutschland. Die Lösungen der ausstellenden Unternehmen können einen wichtigen Beitrag leisten, deutlich energieeffizienter zu produzieren“, weiß Dr. Jochen Köckler. Ein Hoffnungsträger, um CO2-Emissionen zu reduzieren, ist grüner Wasserstoff. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bezeichnet Wasserstoff als einen Schlüsselenergieträger, der für den langfristigen Erfolg der Energiewende und für den Klimaschutz essenziell ist. Mit mehr als 500 Unternehmen, die Lösungen für den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie anbieten, positioniert sich Hannover damit als weltweit wichtigste und größte Plattform zum Thema Wasserstoff. Dank vieler Innovationen auf der Messe ist der Grundstein für eine vollständige Transformation der Industrie gelegt.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.