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1. Sep 2022

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Wirtschaft

High-Tech-Branche mit Imageproblem

Journalist: Christian Litz

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Foto: Pickawood/unsplash

In der Logistik-Branche fehlen massiv Mitarbeiter. Das könnte an einem Imageproblem liegen. Neue Ausbildungswege sollen helfen, Lücken zu schließen.

Die Logistikbranche leidet stärker unter dem Fachkräftemangel als andere Branchen. Umfragen bei Unternehmen des immerhin drittgrößten Wirtschaftszweigs in Deutschland zeigen: Es fehlen schon seit Jahren Bewerber. Bereits 2017 antworteten 90 Prozent der Manager und Unternehmer der Logistikbranche bei einer Umfrage, 38 Prozent der Ausbildungsberufe könnten nicht besetzt werden.

Was sich vor fünf Jahren andeutete, hat sich verstärkt, auch wegen Corona. Anfang dieses Jahres zeigte eine neue Umfrage in der Logistik-Branche: Der Personalmangel bremst die Wachstumsbranche. Die Fachleute gingen in der Mehrheit davon aus, dass sich der Personalmangel stark auf den Erfolg ihrer Unternehmen auswirken werde.

Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber geht zurück, gerade jetzt, wo die Logistikindustrie wegen des zunehmenden Einsatzes von Intelligenter Technologie und Robotik immer mehr qualifiziertes Personal benötigt. Besonders stark ist der Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Informationstechnologie. Transportfirmen brauchen dringend IT-Spezialisten, um die Logistik-Ketten stabil zu halten.

Daneben mangelt es aber auch schon länger an Fahrern. Dass es diese beiden Jobbereiche mit dem stärksten Mangel sind, spiegelt indirekt ein Image-Problem der Branche: Der Grund für den Bewerberschwund dürfte in der öffentlichen Wahrnehmung der Logistik seine Ursache haben, vermuten Experten. Wahrgenommen würden die LKWs auf Straßen, die Staus und Unfälle verursachen. Oder Paketboten, die klingeln, um Pakete für Nachbarn loszuwerden oder Pakete, die zu spät ankommen und manchmal nie.

Das prägt das Image der Branche bei der Bevölkerung, also auch der potenziellen Bewerber für Logistik-Jobs. Dass unter denen High-Tech-Berufe sind, werde von Berufssuchenden oft nicht gesehen, so eine Klage der Branche: Die wenig wahrgenommenen Berufschancen liegen in den Bereichen rund um das Logistik-Management und der Betriebswirtschaft, ebenso im Bereich Einkauf, Recht, Beschaffungswesen, Maritime Logistik und der Lagerverwaltung.

Die Berufsmöglichkeiten sind breit gefächert, ebenso die Ausbildungswege und Berufsabschlüsse, was den Zugang erleichtert: Für Betriebswirte gibt es bereits die Fachrichtung Logistik und Verkehr. Hinzugekommen sind die Ausbildungen zu Fachwirtinnen und Fachwirte für Güterverkehr und Logistik und zu Fachkaufleuten für Einkauf und Logistik. Es gibt neue Spezialberufe für Zoll und Außenwirtschaft oder Logistik-Meister und Ökonomen mit Schwerpunkt Logistik. All das sind Berufsausbildungen, die das Bild der Branche aufwerten könnten, wenn sie denn wahrgenommen würden.

Viele der Ausbildungen für diese Spezialberufe sind im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen möglich und können neben dem Beruf abends und am Wochenende absolviert werden. So soll der Durchgang innerhalb der Branche mit Karriereleitern verbessert werden. Für die Mitarbeiter wird es leichter und schneller möglich, innerhalb der Logistik-Industrie aufzusteigen. Der Talentpool innerhalb der Branche soll besser genutzt und Karrierechancen geboten werden, was wiederum dem Image der Logistikbranche hilft.

Fakten: Bis 2032 gehen 7,2 Millionen Menschen in Deutschland in Rente. Zwei Millionen davon verlassen Branchen, die bereits Fachkräftemangel haben. Stark betroffen sind der Gesundheitssektor und die Logistikbranche. Mehr als 32 Prozent aller Lastwagenfahrer sind heute älter als 55 Jahre. 80.000 fehlen schon jetzt.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.