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18. Dez 2019

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Wirtschaft

I want it all. I want it now.

Journalist: Oliver Schmitz

Die Umsätze im Food- und Nonfood-Handel stagnieren, die Einkaufshäufigkeit geht zurück und die Loyalität der Konsumenten sinkt. Gleichzeitig werden Kundensegmente immer hybrider und die Customer Journey der einzelnen Käufergruppen zunehmend komplexer. 


Foto: Oliver Schmitz, Head of Retail GfK

Auf den ersten Blick keine rosigen Aussichten für den Handel. Weiß man die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, jedoch richtig zu nutzen, so lassen sie sich in Chancen verwandeln.   

In den kommenden Jahren wird im harten Kampf um Kunden überleben, wer seine Zielgruppen und deren individuelle Bedürfnisse wirklich zu verstehen und besser als der Wettbewerb zu bedienen weiß. Das Stichwort lautet hier „Customer-Centric-Retailing“. Um ein positives, individuelles Einkaufserlebnis am Point of Sale zu schaffen, ist es wichtig, auf den jeweiligen Kunden zugeschnittene Angebote, individualisierbare Produkte oder die Chancen der Digitalisierung, wie zum Beispiel Artificial Intelligence, Augmented Reality oder Virtual Reality, intelligent zu nutzen. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist das Einbeziehen der Kunden in die Ausgestaltung von Services und Angebot.

Als eine Konsequenz der Digitalisierung müssen online und offline Touchpoints intelligent miteinander verschmolzen werden. Denn eines ist klar: Der Konsument ist auf der Suche nach einem rund um die Uhr, ortsunabhängigen Einkaufserlebnis. Aus „physical“ und „digital“ wird „Phygital“. Dieser Omnichannel-Ansatz kann dabei das Beste aus beiden Welten verbinden. Er ermöglicht es Händlern, die Verbraucher auf ihren Online-Shop zu leiten, wenn ein Produkt im Laden nicht verfügbar ist oder bspw. in Innenstädten kleinere Verkaufsflächen eher als Showroom für Produkte zu nutzen, die dann online bestellt werden. Laut unserer GfK FutureBuy Studie bevorzugt ein Drittel der Verbraucher einen Händler mit sogenanntem Click & Collect Konzept. Online bestellen und im Geschäft abholen für Verbraucher ist die Ware so noch schneller verfügbar.

In Zukunft wird es also vor allem auch darum gehen, den Handel neu zu denken – „Rethink Retail“. Neue Einkaufsformate wie Voice-Commerce und Social-Commerce, die sich derzeit noch mit unterschiedlicher Dynamik entwickeln, werden eine immer stärkere Rolle spielen. Während in unserer Consumer Life Studie im Jahr 2017 nur 2 Prozent der Deutschen angaben, in den letzten sechs Monaten über einen digitalen Assistenten eingekauft zu haben, sind es in diesem Jahr bereits 18 Prozent, die via Sprache in den letzten 30 Tagen bestellten. 

Um sich erfolgreich aus der Austauschbarkeit zu positionieren, muss sich der Einzelhandel in den nächsten Jahren noch stärker als Marke profilieren. Einkaufserlebnis und erlebbare Markenidentität spielen dabei eine wesentliche Rolle, um die Frequenz und Loyalität wieder zu erhöhen. Das kann online und offline beispielsweise durch einzigartige, zielgruppenrelevante Einkaufserlebnisse, wie zum Beispiel personalisierte Produktvorschläge, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz auf Basis der bisherigen Einkaufshistorie gemacht werden, gelingen.

Zusammenfassend werden im Jahr 2020 vor allem drei wichtige Trends im Verbraucherverhalten zu beobachten sein: Das Erlebnis wird wichtiger als der Kauf. Das Thema Individualität gewinnt an Bedeutung bei gleichzeitiger Suche nach Lösungen, die das Leben erleichtern. Das Bedürfnis, aktiv über Service- und Produktangebote mitzubestimmen und der Anspruch, einzukaufen, wann, wo und wie ich es gerade möchte, wird sich verstärken. Frei nach dem Motto „I want it all. I want it now.“

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.