Diesen Artikel teilen:

20. Sep 2022

|

Gesellschaft

„Jedes Gebäude muss auch analog funktionieren“

Journalist: Armin Fuhrer

|

Foto: Presse/EDGE

Digitalisierung sollte kein Selbstzweck sein, sondern der Nachhaltigkeit dienen, findet Jens Fieber vom Entwickler EDGE.

fieber-online.jpg

Jens Fieber ist Executive Commercial Director Germany bei EDGE

Herr Fieber, in der Baubranche gibt es aktuell zwei große Themen: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wäre nachhaltiges Bauen eigentlich ohne digitale Technologie möglich?

Grundsätzlich wäre das schon möglich, aber mit digitaler Technologie funktioniert es natürlich viel besser und effizienter. Digitalisierung ist für uns ein Baustein, mit dem wir die Nachhaltigkeit weiter und schneller vorantreiben können. Unser Ansatz ist es, die Technologien zu nutzen, die wirklich sinnvoll sind. Das bedeutet, dass wir unsere Gebäude „smart ready“ herstellen und so auch künftig neue Technologien integrieren können. Dabei geht es aber nicht darum, dass wir alles nur noch per Apps steuern müssen. Jedes Gebäude muss am Ende auch analog funktionieren.

Ist es einfacher, Neubauten digital und nachhaltig zu gestalten?

Man kann bei Neubauten von Grund auf neu planen, das geht beim Bestand nicht. Allerdings kann man neue Technik in bestehenden Gebäuden auch modular verbauen und mit Sensorik arbeiten, die man z. B. einfach an die Wand hängt oder auf den Tisch stellt. Allerdings benötigt man auch dann eine ausgefeilte Gebäudetechnik, also zum Beispiel eine Lüftung, die sich den Gegebenheiten automatisch anpasst. In Deutschland konnten wir bislang wenig mit Bestandgebäuden arbeiten, aber das ist der Weg, den wir auch hier einschlagen werden.

Welche Rolle spielt BIM bei der Planung? 

BIM macht das Arbeiten über ein digitales Modell transparenter und einfacher. Das Problem: Zwar wollen fast alle mit BIM arbeiten, aber in vielen Fällen fehlt die Verzahnung der Schnittstellen, sodass nicht alle Gewerke die Methode an einem Modell nutzen können. So bleiben die Beteiligten häufig noch zu autark. Zwischen den Beteiligten muss zudem abgestimmt werden, welche Standards für das BIM-Modell eingehalten werden müssen. Eine weitere Herausforderung ist, dass auf der Baustelle oder bei Behörden häufig noch ein 2D-Planung benötigt wird.

Sind aber alle Planungs- oder Projektbeteiligten an Bord, gibt uns BIM einen enormen Vorteil bei der Abstimmung der Planung und hilft, Planungsänderungen über mehrere Teams, Firmen und Gewerke hinweg zu kommunizieren. Anpassungen können von allen Beteiligten unmittelbar gesehen und nachvollzogen werden. Eine schnellere Reaktionszeit ist die Folge.

Welche weiteren digitale Instrumente gibt es?

Revit, CAD, CAFM, Berechnungstools, Ausschreibungs- und Aufmaß-/Rechnungstools sowie Mängeltools sind in der modernen Planung und im Bau heute nicht mehr wegzudenken. Projekte mit mehreren Zehntausend Quadratmetern und hoher technischer Komplexität wären ohne diese kaum noch umsetzbar.

Welche Bedeutung werden in Zukunft alternative Baustoffe spielen?

Ganz ohne Beton wird es vielerorts kaum gehen, ich gehe aber davon aus, dass alternative Baustoffe eine sehr große Rolle spielen werden. Aber da sind wir noch am Anfang. Wir haben beispielsweise gerade bei unserem EDGE Eastside Berlin, einem rund 140 Meter hohen Bürohaus, einen Test mit CO2-reduziertem recyceltem Beton beendet. Derzeit konnten erst die beiden obersten Etagen damit bauen, da diesem Beton gegenüber herkömmlichem noch die absolute Tragfähigkeit fehlt. Auch Holz ist ein interessantes Thema. Ich denke auch an schnell nachwachsende Baustoffe wie Bambus. Da erwarte ich für die Zukunft noch spannende Innovationen. 

Fakten: Holz gilt Experten als ein wichtiger Baustoff der Zukunft. Es ist zu 100 Prozent ökologisch abbaubar und ein natürlicher und nachwachsender Rohstoff. Wichtig ist aber, dass das verwendete Holz aus der Region kommt, weil sonst beim Transport ein hoher CO2-Ausstoß anfällt.

 

9. Jul 2025

|

Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.