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14. Dez 2020

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Wirtschaft

„KI wird eine bedeutende Rolle spielen“

Martina Möller, Mitglied der Geschäftsleitung von Toyota Material Handling, erläutert die neue Dynamik bei der Digitalisierung der Intralogistik.

Martina Möller, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für die Geschäftsbereiche „Strategische Kunden, Logistics Solutions und Digitalisierung“ bei Toyota Material Handling.

Frau Möller, die Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben. Ist das auch in der Intralogistik zu beobachten? 

Durch die Pandemie ist tatsächlich eine höhere Dynamik in das Thema gekommen – auch in der Intralogistik. Digitalisierung steht oft als ein großes Wort im Raum. Dahinter verbergen sich aber nahezu alle Prozesse, Produkte und Lösungen, die es zu analysieren und zu verändern gilt.

In welchen Bereichen ist der Drang zur Digitalisierung derzeit denn am meisten zu spüren?

In Zeiten der Pandemie spielen vor allem der Kostendruck, die Flexibilität und die Schaffung von Kapazitäten eine große Rolle. Wir sehen, dass während der Corona-Pandemie vor allem das Thema Automatisierung der Lager und Lieferketten einen ganz neuen Drive bekommen hat. Automatisierte Flurförderzeuge hatten wir natürlich auch zuvor in unserem Portfolio, aber nun erkennen die Kunden verstärkt deren Vorteile. 

Bedeutet das, dass der Mensch zukünftig im Lager nicht mehr gebraucht wird?

Nein, es geht bei der Automatisierung vor allem darum, die Mitarbeiter zu unterstützen, damit diese wertschöpfenderen Tätigkeiten nachgehen können. Fahrerlose Transportsystemen, sogenannte AGVs oder AMRs, können einfacher denn je in bestehende Intralogistikprozesse integriert werden und eine effiziente und hochproduktive Ergänzung zu den manuellen Prozessen darstellen. 

Vielerorts entstehen neue Logistikzentren. Wird dabei die Digitalisierung mitgedacht? 

Aus unserer Sicht hat die Intralogistik eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung der Logistik, aber auch der gesamten Industrie. Vor allem bei Neubauprojekten spielt die Automatisierung eine immer wichtigere Rolle. Verschiedene Analysen zum weltweiten Warehouse Automation Market zeigen eine Verdopplung bis 2025 und eine jährliche Wachstumsrate von über elf Prozent. Dieser Markt beinhaltet voll- bzw. teilautomatische Läger, Dark Warehouses, fahrerlose Transportsysteme bis hin zu Drohnensysteme für die Logistik. 

Welche Vorteile ergeben sich aus vernetzen Geräten?

Als Pionier auf dem Sektor Connectivity stattet Toyota bereits seit 2018 nahezu alle Lagertechnikgeräte serienmäßig mit Telematik-Technologie aus. So haben wir aktuell etwa 150.000 vernetzte Flurförderzeuge europaweit im Einsatz. Diese „Smart Trucks“ senden permanent Daten an ein Flottenmanagementsystem, über das der Nutzer die volle Transparenz erhält und seine intralogistischen Prozesse optimieren kann. Zu den weiteren Vorteilen zählen die Möglichkeiten der vorausschauenden Wartung, eine erhöhte Sicherheit im Lager und ganz nebenbei kann sogar die CO2-Bilanz verbessert werden. 

Gutes Stichwort: Was sind die Stellschrauben in der Intralogistik, um CO2-Emmissionen zu senken?

Toyota Material Handling hat sich dazu verpflichtet bis 2030 in den eigenen Betrieben CO2-neutral zu arbeiten. Unser Werk in Mjölby, Schweden, hat dies schon umgesetzt und unsere Fertigung in Italien konnte ihre CO2-Emissionen bereits halbieren. Auch deshalb wurden wir mit dem Platinum-Level von EcoVadis ausgezeichnet und gehören somit zu den Top ein Prozent von 70.000 weltweit analysierten Unternehmen.

Der wesentlich größere Anteil der CO2-Emissionen entsteht allerdings bei der Nutzung der Geräte. Wir unterstützen unsere Kunden dabei ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, in dem wir alter-native Antriebstechnologien, wie Lithium-Ionen-Batterien oder Brennstoffzellen, anbieten. Insbesondere von der Brennstoffzelle als Antriebstechnologie der Zukunft sind wir bei Toyota überzeugt. Als Teil des Toyota Konzerns profitieren wir von den Erfahrungen aus der Automobilindustrie und können gleichzeitig auf erfolgreich umgesetzte Projekte in der Intralogistik verweisen. 

Was wird den Logistikmarkt noch bewegen?

Aus meiner Sicht wird zukünftig Künstliche Intelligenz eine noch größere Rolle in der Logistikbranche spielen. Das heißt, ganze Logistikprozesse werden sich auf Basis von KI selbst organisieren. So kann KI selbständig über die Verkaufs-zahlen einzelner Supermarktfilialen die nächste Bestellmenge ermitteln. Mit dieser Information stellen automatisierte oder autonome Stapler im Großlager ganz von allein die nächste Bestellung zusammen und beladen am Abend den Lkw.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.