10. Dez 2025
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Business
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse
Hinter jedem erfolgreichen Startup stehen Menschen mit Mut, Leidenschaft und Durchhaltevermögen. Gülsah Wilke, Partnerin und Leiterin DACH der Venture-Capital-Firma DN Capital kennt diese Geschichten aus nächster Nähe: Sie investiert in Technologie-Startups und begleitet sie auf ihrem Weg von der ersten Vision bis zur internationalen Expansion. Bei Startups in der Frühphase blickt sie vor allem auf das Team. Echtes Können, Bescheidenheit und der unbedingte Wille, etwas zu bewegen, hält sie für unverzichtbar.
Gülsah Wilke, Partnerin & Leiterin DACH der Venture-Capital-Firma DN Capital
Frau Wilke, welche Kriterien sind für Sie entscheidend, um in ein Startup zu investieren?
Bei frühen Startups zählt vor allem das Gründerteam, da oft noch wenig messbare Traktion existiert. Entscheidend sind komplementäre Fähigkeiten, Fachwissen – etwa medizinische Expertise im Digital-Health-Bereich – sowie Lernbereitschaft, Resilienz und Teamfähigkeit bei Herausforderungen. Zweitens muss das Produkt einen klaren Bedarf im Markt treffen und über einen echten technischen oder datenbasierten Wettbewerbsvorteil verfügen. Gerade in Zeiten von Künstlicher Intelligenz ist entscheidend, was wirklich einzigartig ist, etwa tief vertikalisierte Datensätze in Bereichen wie Gesundheit, Recht oder Finanzen. Drittens braucht ein Startup einen ausreichend großen und skalierbaren Markt, damit hohe Renditen möglich sind. Ein globaler Ansatz, am besten mit Perspektiven in den USA, erhöht die Chancen auf erfolgreiche Exits wie IPOs oder strategische Übernahmen.
Welche sogenannten unterschätzten Fähigkeiten sollten denn Gründer in Deutschland heute unbedingt haben, um langfristig erfolgreich zu sein?
Bescheidenheit! Viele junge Gründer wirken grundlos arrogant. Dabei ist Bescheidenheit kombiniert mit gesundem Selbstbewusstsein besonders wichtig, weil Investoren in der frühen Phase eng mit dem Team zusammenarbeiten und Erfolg nur gemeinsam entsteht. Ebenso zentral ist Resilienz: In einem Umfeld voller Unsicherheit, schwieriger Finanzierung, Skalierungsdruck und Fachkräftemangel müssen Gründer Höhen und Tiefen aushalten können. Deshalb sind Menschen mit Migrationsgeschichte, „zwei Herzen“, Frauen und Mütter oft interessant, da sie früh Belastbarkeit entwickelt haben. Beim Gründen braucht es diese Belastbarkeit, diese emotionale Stabilität, und ebenso die Fähigkeit, aus Rückschlägen Stärke zu ziehen.
Sie haben bei Ada Health den US-Eintritt mit unterstützt und bei DM Capital investiert. Welche Schlüssel-Learnings geben Sie daraus heute an Gründer weiter?
Als Operator und Investor bringe ich zwei Perspektiven mit: Bei Ada Health habe ich als COO ein Drittel des Unternehmens operativ geführt und erlebt, wie herausfordernd es ist, Visionen im Unternehmen umzusetzen. Gleichzeitig denke ich stark aus Investorensicht und kann gut unterscheiden, was ein „Nice to have“ und was ein „Must-have“ ist, um ein Unternehmen erfolgreich über Venture Capital zu skalieren. Ich arbeite gemeinsam mit den Gründern daran, ihre Vision nachhaltig und finanzierbar umzusetzen.
Worin bräuchten Startups in Deutschland mehr oder bessere Unterstützung?
Wir brauchen weniger Regulierung und mehr Freiheit fürs Unternehmertum! Gerade junge Tech-Unternehmen bräuchten einen „Fast Track“, für Zulassungen und Zertifizierungen, die oft länger als ein Jahr dauern. In den USA dagegen ermöglicht die FDA beispielsweise mit dem „Discretion“-Modell eine pragmatische Self-Certification, oft in nur einem einzigen Tag. Während in den USA die wertvollsten Tech-Konzerne stehen, haben wir hier nur SAP an der Börse gelistet. Wenn wir KI und neue Technologien vor allem als Risiko sehen, werden wir weiter zurückfallen. Europa sollte seinen Gründerinnen mehr Vertrauen schenken, pragmatischer werden und einen einheitlichen Kapitalmarkt schaffen. Sonst wandern erfolgreiche Startups für große Finanzierungen oder Börsengänge in die USA ab, wie etwa BioNtech – und mit ihnen Wertschöpfung, Know-how und Jobs.