12. Jun 2024
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Lifestyle
Journalist: Julia Butz
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Foto: Fritz Buziek
Im Gespräch mit Spitzenkoch Jan Hartwig, der erneut drei Sterne in seinem Restaurant JAN in München erkochte.
Herr Hartwig, die Fine Dining Branche ist im Umbruch. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Spitzenküche?
Auch wenn viele vom angeblichen Sternesterben schreiben: allein die letzte Michelin-Verleihung hat mit einem neuen 3*-, drei neuen 2*- und 32 neuen 1*-Restaurants das Gegenteil gezeigt. Natürlich hat es aufgrund von Schließungen oder Konzeptänderungen auch Streichungen gegeben, aber in Summe ist ein klarer Aufwärtstrend zu sehen. Spitzengastronomie wird auch weiterhin Bestand haben, davon bin ich fest überzeugt.
Trotzdem gilt für viele noch das Klischee, Spitzenküche sei steif und zu konservativ. Teilen Sie diese Ansicht?
Es gehört zu den „Urban Legends“ unserer Branche, dass man in der gehobenen Gastronomie nicht lachen, sich nicht zuprosten und um Gottes Willen nicht vom anderen Teller probieren dürfte. Dabei ist das doch gerade spannend! Ich möchte als Gast einen Ort, seine Stilistik und die komplette Bandbreite der Küche entdecken können. Ich animiere die Gäste dazu, neugierig zu sein und habe mich mit dem JAN auch sehr bewusst für eine ungezwungene Atmosphäre entschieden – das spiegelt auch unser unaufgeregtes Interieur wider. Dazu fahren wir ein sehr offenes Konzept, bei dem das Küchen-Team den Service mit unterstützt und man von fast jedem Tisch aus ein wenig die Küchenaction in unserem „Labor der Liebe“ sieht.
Ein ungewöhnlicher Titel für eine Spitzenküche, in der sonst gerne Technik vor Emotionen steht. Bleibt im JAN die Pinzette draußen?
Ohne eine ganz große Prise Liebe kann man nicht gut kochen. Wir verwenden klassische Garmethoden. Bei uns wird geschmort, gebacken, frittiert, gedämpft, gekocht, gegrillt, pochiert. Die Pinzette ist Mittel zum Zweck, um sehr präzise arbeiten zu können, um bspw. winzige Kräuterblättchen oder Blüten zu arrangieren. Im Vordergrund steht neben dem perfekten Produkt und der perfekten Zubereitung immer der Geschmack.
Was bedeutet das in Bezug auf die eingesetzten Produkte?
Es gibt keine minderwertigen Lebensmittel, sondern leider viele, die aufgrund der Bedingungen schlecht hergestellt oder aufgezogen werden. Produkte, bspw. aus Massentierhaltung, sind für mich ethisch nicht vertretbar. Ich bin z. B. ein Riesenfan von Wildfleisch aus heimischen Revieren, dem Lamm hier aus Niederbayern oder Süßwasserfischen aus der Region, wie dem Schliersee. Und auch wenn ich in der Ausbildung gelernt habe, dass Produktwiederholungen innerhalb einer Menüfolge verpönt sind, mache ich einen Saibling im dritten Gang und nutze den marinierten Bauchlappen als Tartar in der Vorspeise. Die Leber wird pochiert und zu einer lockeren Mousse aufgeschlagen. Aus Gräten und Karkassen wird ein aromatischer Fond gezogen. Damit wird der ganze Fisch vollumfänglich verarbeitet. Auch das obligatorische Rinderfilet gibt es bei mir nicht. In unserem aktuellen Hauptgang bieten wir beispielsweise anteilig mehr Geschmortes als Kurzgebratenes – und das finden die Gäste gut.
Wo liegen die Unterschiede im 3-Sterne-Restaurant als Angestellter oder Selbständiger zu arbeiten?
Auch im Bayerischen Hof habe ich so verantwortungsvoll gearbeitet, als wäre es mein eigener Laden. Die Selbstständigkeit war ein langgehegter Traum und dabei ein Konzept von zeitgemäßer Gastronomie, ganz nach meinen Vorstellungen zu entwickeln. Natürlich gab es Skeptiker, die ein Konzept wie das JAN, ohne Hotelangliederung oder einen Investor dahinter, für ein zu großes Wagnis hielten. Mir war aber von Anfang an klar, dass es keine utopische Szenerie ist. Auch nicht die drei Sterne wiederzubekommen, da ich mit dem gleichen Anspruch an meine Arbeit gegangen bin wie zuvor.
Der Erfolg gibt Ihnen recht.
Ich habe nie gedacht, das schaffst Du nicht oder: Ich bin froh, wenn ich ein oder zwei Sterne kriege. Sondern immer: Vollgas oder gar nicht. Natürlich ist mir bewusst, dass so etwas z. B. im ländlichen Niedersachsen, wo ich herkomme, beim Thema Mitarbeitenden-Recruiting weitaus schwieriger ist, als in einer Stadt wie München. Am Ende des Tages ist das hier ein wirtschaftlich arbeitender Betrieb, den ich erfolgreich leite und leiten muss. Ich habe Verantwortung meinen Mitarbeitenden und meiner Familie gegenüber und Ansprüche der Gäste, denen ich gerecht werden muss. Deswegen ist das ein knallharter Job. Den man nur aus und mit Liebe und Passion machen kann.
In seiner Freizeit ist es für den Wahl-Münchner der größte Luxus, gemeinsam mit seiner Familie Zeit zu verbringen und die umliegende Natur zu genießen oder auf ein Weißbier und eine Schnitzelsemmel im Biergarten unter alten Kastanien zu sitzen.