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18. Dez 2019

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Wirtschaft

Ladenbau: Die Zukunft der Stores

Journalist: Chan Sidki-Lundius

Läden werden wohnlicher und wieder Orte der Begegnung. Das sagt Carsten Schemberg, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ladenbau Verbandes.

Herr Schemberg, was sind die derzeitigen Trends im Ladenbau?

Im Zuge der Klimadiskussion rückt die Nachhaltigkeit mehr in den Fokus. Läden werden heute regional, individuell und authentisch gebaut. Regional meint, dass Läden in München anders aussehen dürfen als in Kiel. Wenn regionale Materialien verbaut werden, kommt das dem Nachhaltigkeitstrend zugute. Außerdem werden die Läden wieder farbiger, wohnlicher und sie sind vor allem Orte, an denen nicht nur gekauft, sondern auch kommuniziert wird – also Plätze, an denen man sich gern trifft. Ein weiterer großer Trend ist die Handelsgastronomie, wobei natürlich nicht jeder Ladeninhaber ein Café eröffnen oder eine Saftbar integrieren sollte, wenn das nicht zu seinen Kunden passt.

Carsten Schemberg, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ladenbau Verbandes 
Foto: Presse  

Das Kundenerlebnis rückt immer mehr ins Zentrum. Welche Auswirkungen hat das auf das Design und die Konzepte der neuen Stores?

Der Kunde möchte unterhalten und nach seinen speziellen Interessen gefragt werden, der Service ist sehr wichtig. Das ist keine neue Erkenntnis. Nun wird allerdings die Notwendigkeit, dem Kunden im Laden etwas zu bieten, durch den wachsenden E-Commerce schmerzhaft deutlich. Die Bedeutung des Ladengeschäfts wächst somit. Beispiel gefällig? Modefilialisten wie Arket eröffnen Cafés im zentralen Einkaufsbereich. Und auch im Foodbereich wird bei den Ladenkonzepten gewaltig umgedacht. Es wird im Laden geräuchert, Fleisch reift vor den Augen der Kunden, Nudeln werden hergestellt und Kaffee geröstet. Der Kunde sieht, woher die Ware kommt und wie sie verzehrfertig vorbereitet wird. Obst und Gemüse werden in Körben präsentiert, die Marktatmosphäre schaffen.  Auch die Discounter wie Aldi und Lidl rüsten auf und präsentieren die Ware in wertigerem Ambiente. Im Laden wird teilweise auch getestet, Globetrotter hat’s vorgemacht. Und bei Lengermann und Trieschmann in Osnabrück wird sogar mitten im Haus auf einer Wasserwelle gesurft. Modehäuser wie Engelhorn in Mannheim haben ein Sternerestaurant oder Hersteller wie Grüne Erde zeigen im Flagshipstore in Österreich alle verwendeten Materialien in einer Art Wissenslabor.  Der Kunde lernt die Marke dadurch intensiv kennen.

Wie kann sich der stationäre Einzelhandel mit starken Konzepten gegenüber dem Onlinehandel behaupten?

„Geschäfte sind Mittelalter. Sie wurden nur gebaut, weil es kein Internet gab.“ Die Aussage von Zalando-Gründer Oliver Samwer hat 2014 die Handelslandschaft erschüttert. Mittlerweile hat Zalando selbst stationäre Läden. Warum? Weil das Erlebnis im Laden, die reale Begegnung mit der Marke, dem Produkt, durch nichts zu ersetzen ist. Ursprünglich reine Onlinehändler wie Mr. Spex oder Amazon und viele andere Beispiele bestätigen diese Einschätzung. Allerdings wird der Retail künftig sehr genau überlegen müssen, welche Waren er im Store anbietet und welche besser im E-Shop aufgehoben sind. Sehr viele Produkte des täglichen Bedarfs, etwa Drogerieartikel, werden zunehmend online gekauft. Wer sich also in einen Laden aufmacht, sucht ein speziell und interessant zusammengestelltes Warensortiment, möchte eine kompetente und freundliche Beratung und erwartet einen guten Service. Der Kunde ist heute nicht König, sondern Kaiser.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.