22. Dez 2021
|
Wirtschaft
Journalist: Ulrike Christophoridis
Ein Treiber für Veränderungen – das ist die Coronakrise auch für die Transport- und Logistikunternehmen. Jochen Quick, Präsident des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik e.V. (BWVL), sieht darin Chancen.
„Durch die Pandemie wurde uns der Spiegel vorgehalten“, so der Präsident des Branchenfachverbandes. Die Krise offenbart die Schwachstellen. „Uns fehlten aufgrund der demografischen Entwicklung auch schon vorher Fachkräfte.“ Um die Supply-Chains nun neu zu gestalten und den gewachsenen Anforderungen anzupassen, sind qualifizierte Mitarbeitende jedoch dringender denn je vonnöten. Strukturelle Umbauten werden im Bestandsmanagement unabdingbar sein. „Doch Veränderungen sind immer auch große Chancen“, ist sich Jochen Quick sicher. Die vergangenen Monate hätten den Wert der Logistik gezeigt und zu einer größeren gesellschaftlichen Anerkennung beigetragen. Vor der Pandemie wurde das Funktionieren der Lieferketten für selbstverständlich genommen – von Konsumenten ebenso wie von vielen Unternehmen. „Doch die aktuellen Engpässe zeigen, wie verletzlich das alles ist und welche essentielle Bedeutung die Logistik für eine funktionierende Wirtschaft und unser aller Wohlergehen hat.“
Unternehmen würden künftig mehr auf Sicherheit setzen und von der „Single-“ zur „Multiple-Sourcing-Strategie“ wechseln, prognostiziert Jochen Quick. Produkte von mehreren Lieferanten zu beziehen, statt auf einen einzelnen Partner zu setzen, könne Abhängigkeiten und damit einhergehende Lieferengpässe vermeiden. Eine höhere Effizienz in den Prozessen trage auch dazu bei, den Güterverkehr der Zukunft nachhaltiger zu gestalten.
Die Vermeidung von Leerkilometern und Ausnutzung von Ressourcen durch einen engen Datenaustausch der beteiligten Unternehmen in der Supply Chain sieht der BWVL-Präsident als einen der wichtigsten Ansätze. „Die Digitalisierung wird bei der Schnittstellenkommunikation und dem Austausch von Informationen enorm helfen sowie Prozesse beschleunigen und transparenter machen. Bereits heute gibt es hier viele Möglichkeiten.“ Durch eine effizientere Planung könnten z. B. die Nutzung von Lang-Lkw weiter ausgebaut und mit zwei Fahrzeugen die gleiche Menge bewegt werden, wie sonst mit drei Lkw. Alternative Antriebstechnologien sieht Jochen Quick eher mittel- bis langfristig als Teil der Lösung. Zumindest für die Langstrecke gilt: „Es wird dauern, bis E- oder Wasserstoffantrieb sich spürbar im Markt etablieren werden. Die Energieversorgung für alternative Antriebe der Schwer-Lkw in der Fläche ist schlicht so schnell nicht gegeben.“
Um Lösungen voranzubringen braucht es für Jochen Quick seitens der Politik vor allem Planungssicherheit für die Branche: „Die Unternehmen können nicht im sechs Monatsrhythmus ihre Investitionen amortisieren.“ Mit der LKW-Maut und der zusätzlichen CO2-Abgabe sieht er zudem eine Doppelbelastung auf die Logistikwirtschaft zukommen, die den europäischen Wettbewerb zu Lasten deutscher Unternehmen deutlich verschärfen wird. „Wenn hier nicht – wie versprochen – der Branche eine Kompensation zugeführt wird, ist der Logistikstandort D deutlich benachteiligt und Transport im Inland deutlich verteuert, letztlich zu Lasten auch der Umwelt.“
Einheitliche Abgaben in Europa festzulegen ist eine der Kern-Forderungen des BWVL, der eine Einbindung der Branchenexperten in entsprechende Entscheidungen fordert. Mehr Realismus bei den gesteckten Klima-Zielen für den Verkehrsbereich ist eine weitere: „Den Weg zur Klimaneutralität im Güterverkehr sollten wir als Gesellschaft gemeinsam und in der Balance zwischen Ökonomie und Ökologie beschreiten“, so Quick.