1. Sep 2022
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Wirtschaft
Journalist: Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik
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Foto: Presse DSLV
Als Wirtschaftszweig mit eigener Innovationskraft und hoher Beschäftigungswirkung bleibt die Logistik Grundlage für das Wachstum von Volkswirtschaften, in denen Speditionshäuser zentrale Organisations- und Entscheidungsfunktionen zur Steuerung internationaler Lieferketten unter Einsatz sämtlicher Verkehrsträger ausüben. Die derzeit äußerst gestressten Lieferketten machen die Systemrelevanz der Logistik für die arbeitsteilige Weltwirtschaft mehr als deutlich.
Derzeit ist die Logistik – wie viele andere Branchen auch – eingeklemmt zwischen Inflation, Energieverknappung, Dekarbonisierung und demografisch bedingter Überalterung – bei gleichzeitig wachsenden Kundenerwartungen. Die Anforderungen an die Unternehmen der Branche und ihre 600.000 Beschäftigten nehmen täglich zu und verlangen ihnen Höchstleistungen ab.
Denn der universelle Versorgungs- und Mobilitätsanspruch von Wirtschaft und Gesellschaft muss zunehmend mit einem wachsenden Bedürfnis nach Sicherheit, Gesundheit und ökologischer Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden. Ressourcenschonung wird zu einer entscheidenden Prämisse für die Akteure in der Logistik. Doch für das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 ist nicht nur die Angebotspalette emissionsarmer Nutzfahrzeuge, sondern vor allem die Auflade- und Betankungsinfrastruktur für alternative Antriebe heute immer noch zu unterentwickelt. Auch ein nachhaltiger modal shift muss zur Verkehrswende beitragen. Doch wird es Jahre dauern, bis das System Schiene für den Güterverkehr leistungsfähig genug ist. Ein breites Ausweichszenario gibt es für die Logistik heute noch nicht, sodass die fristgerechte Transformation des Logistiksektors hin zu einem Null-Emissions-Güterverkehr fraglich erscheint.
Neben der rasant fortschreitenden Digitalisierung des Logistiksektors werden Kompetenz und Qualifikation der Beschäftigten eine wesentliche Basis für den wirtschaftlichen Erfolg bleiben. Auch wenn rasante Automatisierungsfortschritte die Personalstruktur in der Branche neu definieren, werden Menschen das Rückgrat der Logistik bleiben. Die Bewältigung des Fachkräftemangels wird zur einer weiteren Herkulesaufgabe für die Unternehmen der Branche.
Die Logistikmärkte sind heute immer noch geprägt von einem hohen Nachfrageüberhang, der sich sowohl aus Nachholeffekten sowie veränderten Beschaffungs- und Absatzwegen bei Industrie- und Handelsunternehmen als auch aus einer insgesamt noch hohen Konsumquote ergibt. Derzeit sind alle dem Logistiksektor zur Verfügung stehenden Ressourcen nahezu ausgeschöpft. Sämtliche Verkehrsträger fahren unter Volllast, Frachtraum ist Mangelware, Umschlag- und Lagerkapazitäten sind ausgelastet. Der gleichzeitig nachfrageinduzierte wie kostengetriebene Branchenumsatz ist im Jahr 2021 sprunghaft auf 135 Mrd. Euro (2020: 117,5 Mrd. Euro) gestiegen. Die Umsatzerwartungen der Branche sind nach wie vor nicht negativ geprägt, gleichwohl müssen die Speditionshäuser angesichts der geopolitischen Lage und drohender Rezessionserwartungen heute immer mehr unter Unsicherheiten entscheiden.