Hier sieht man ein Feld mit ganz vielen Strohballen

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28. Mär 2024

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Wirtschaft

„Mehr Fakten, weniger Ideologie“ - Joachim Rukwied

Journalist: Nadine Wagner, Armin Fuhrer

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Foto: DBV

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Landwirtschaft.

Quelle_Brauer-DBV__16_.JPG Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

Wie sieht die Perspektive für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit angesichts der aktuellen Kürzungen von Subventionen aus? Inwiefern stellt die Streichung der Subventionen eine potenzielle Gefahr oder aber eine Chance für die deutsche Landwirtschaft dar? Ohne Wettbewerbsgleichheit in der EU kann es keine Wettbewerbsfähigkeit geben. Nach dem jetzigen Stand würden wir deutschen Landwirte in drei Jahren den EU-weit höchsten Steuersatz für Agrardiesel zahlen – ein massiver Wettbewerbsnachteil gegenüber zahlreichen EU-Nachbarstaaten. Hinzu kommt, dass diese enorme und unverhältnismäßige Belastung nicht im luftleeren Raum existiert. Unsere Betriebe haben bereits vor den Agrardiesel-Kürzungsplänen empfindliche Einschnitte für die Haushaltskonsolidierung hinnehmen müssen und sind von fehlender Planungssicherheit, immer mehr Auflagen sowie überbordender Bürokratie gebeutelt. So gestaltet man keine Zukunft!

2026 sollen die Agrardiesel-Subventionen endgültig wegfallen. Welche Alternativen existieren zu dieselbetriebenen Landmaschinen? Es gibt aktuell keine tragfähigen Alternativen und somit hat der Wegfall der Agrardieselrückerstattung auch keinerlei klimapolitische Lenkungswirkung. Der Verbrennungsmotor wird auf Sicht für landwirtschaftliche Arbeiten wie etwa Bodenbearbeitung, Ernte und Transport unverzichtbar bleiben. Elektroantriebe können derzeit lediglich bei leichten Hofarbeiten ergänzen. Auch deshalb ist es jetzt eine Steuerbefreiung von nicht-fossilen Kraftstoffen in der Landwirtschaft dringend erforderlich.

Auf welche Weise leistet die Landwirtschaft einen Beitrag zum Klima- und Artenschutz, insbesondere im Hinblick auf Ansätze wie Carbon Farming, Agri-PV und ähnliche Konzepte? Welche dieser Maßnahmen haben sich bereits als besonders erfolgreich erwiesen? Klima-, Umwelt-, Artenschutz und Tierwohl sind Themen, die nicht nur die Verbraucher beschäftigen, sondern auch uns Landwirte. In der Praxis setzen wir bereits auf vielfältige Fruchtfolgen, schonende Bodenbearbeitung, präzise Pflanzenschutz- und Düngemittelausbringung sowie produktionsintegrierte Natur- und Artenschutzmaßnahmen. Mit Carbon-Farming sowie mit Wind-, Solar- und Bioenergie tragen Landwirte ihren Teil zum Klimaschutz bei. Um diesen Weg weiter verfolgen zu können, brauchen wir neben gezielter Agrarforschung, digitalen Innovationen und technologischem Fortschritt weitere praxisorientierte Lösungen. Hier ist vor allem die Politik gefragt.

Welche weiteren Maßnahmen müssen angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen wie langanhaltender Trockenheit oder den Überschwemmungen in Niedersachsen in der Landwirtschaft getroffen werden? Die Landwirtschaft wird zukünftig in der Regel mit weniger Niederschlag auskommen und längere Dürrephasen überbrücken müssen. Mit den bisherigen Instrumenten wird dies schwierig. Es müssen auch politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Landwirtschaft sich dafür rüsten kann: zum Beispiel zusätzliche Investitionen in Wasser- und Bewässerungsinfrastruktur, eine zielgenaue Förderung von wassersparenden Anbautechniken, die Förderung von Mehrgefahrenversicherungen sowie Offenheit gegenüber modernen Züchtungstechniken.

Stichwort Nachwuchs: Die Zahl der Ausbildungsverträge in der Landwirtschaft ist zuletzt gestiegen. Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebend für diesen Anstieg und wie bewerten Sie die Zukunftsaussichten der Branche? Landwirtschaft ist mehr als ein Beruf und die junge Generation brennt dafür. Bereits junge Menschen haben zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, tragen Verantwortung und arbeiten gleichzeitig in und mit der Natur. Auch die technischen Aspekte und die zunehmende Digitalisierung sowohl im Ackerbau als auch im Bereich der Tierhaltung faszinieren viele junge Menschen. Trotz aller Herausforderungen ist die Landwirtschaft definitiv eine Zukunftsbranche.

Welche Erwartungen hegen Sie im Hinblick auf die kommende Europawahl bezogen auf die Entwicklungen in der Landwirtschaft? Es gibt zahlreiche agrarpolitische Baustellen und wir brauchen dringend einen stärker faktenbasierten und weniger ideologiegetriebenen Diskurs. Wichtig ist aber vor allem auch eines: Wir Landwirte im Bauernverband sind überzeugte Europäer und Demokraten. Nur mit einem starken Europa, das zusammensteht, für seine Werte eintritt und sich Extremismus, Radikalisierung sowie Populismus entgegenstellt, kann es auch eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Agrarpolitik geben.

Nice to know Zuletzt stand Joachim Rukwied als Präsident des Deutschen Bauernverbands aufgrund der Bauernproteste gegen die Sparmaßnahmen der Ampelregierung häufig im Mittelpunkt des Geschehens. Seit fast zwölf Jahren führt er die Organisation – und hat sich in dieser Zeit als effizienter Interessenvertreter etabliert.

23. Dez 2025

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Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes