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11. Sep 2024

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Mit KI gegen das Küken-Töten – mit Jennifer Volz

Journalist: Gunnar von der Geest

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Foto: Presse

Revolution in der Geflügelzucht: Durch die Kombination von MRT und KI-gestützter Bildanalyse können unbefruchtete Eier aussortiert und das Töten männlicher Küken verhindert werden.

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Jennifer Volz, Leiterin Geschäftsentwicklung der Orbem GmbH

Geflügelfleisch und Eier sind für Menschen weltweit ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ernährung. Schätzungen zufolge beträgt die globale Eier-Produktion jährlich mehr als 87 Millionen Tonnen. Die Geflügelindustrie steht indes vor großen Herausforderungen: Pro Jahr werden rund sieben Milliarden eintägige Hähne getötet, da sie weder Eier legen noch schnell genug an Gewicht zunehmen, um mit den Masthühnern auf dem Fleischmarkt konkurrieren zu können. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Medienberichte über das sowohl unter ethischen als auch nachhaltigen Gesichtspunkten verwerfliche „Küken-Schreddern“ sowie das Entsorgen von allein rund 1,6 Millionen Singerl per annum in der österreichischen Tierkörper-Verwertung ist das Tierschutzgesetz zum 01. Jänner 2023 ergänzt worden. Dort heißt es nun: „Das Schreddern von lebendigen Küken ist verboten. Ebenso ist das Töten lebensfähiger Küken verboten, sofern diese nicht der Futtergewinnung dienen. (…) Im Falle einer Anwendung einer Methode zur Früherkennung des Geschlechts während der Brut und der Aussortierung von Küken im Embryonalstadium ist dies ab dem siebenten Bebrütungstag nur mit Betäubung erlaubt. Nach dem 14. Bebrütungstag ist die Aussortierung verboten.“ Dies bedeutet einen großen Fortschritt, doch zentrale Fragen zur Verhinderung des Küken-Tötens bleiben: Wie kann es gelingen, einen Blick ins Ei zu werfen, um das Geschlecht von Embryos zu bestimmen? Und dies möglichst schnell, ohne die schützende Eierschale zu beschädigen? Außerdem zu Konditionen, die wirtschaftlich darstellbar sind?

„Wir beschleunigen MRT-Geräte, die wir aus dem Krankenhaus kennen, mithilfe Künstlicher Intelligenz und werfen damit einen Blick hinter die Schale, ohne diese auch nur zu berühren“, sagt Jennifer Volz, Leiterin Geschäftsentwicklung der Orbem GmbH. 2019 wurde das Unternehmen als Spin-off der TU München gegründet. Die beiden „Pioniere“ Dr. Pedro Gómez und Dr. Miguel Molina Romero hatten zuvor gemeinsam jahrelang an der Schnittstelle von KI und Bildgebungstechnologie geforscht und bereits die ersten Patente für ihre Innovation angemeldet. Mit ihren Kenntnissen der embryonalen Entwicklung von Hühnern wurde Dr. Maria Laparidou zur Dritten im Bunde und zur Mitgründerin. Heute gehören rund 100 Mitarbeitende zum multidisziplinären Team des mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichneten Hightech-Start-ups.

Wir kombinieren die Magnetresonanztomographie (MRT), die beim Arzt für Untersuchungen verwendet wird, mit Künstlicher Intelligenz, um das Geschlecht von Hühner-Embryos bereits im Ei zu ermitteln.

Und so funktioniert der „Genus Focus“ für die In-ovo-Geschlechtsbestimmung: Am 11. oder 12. Tag des Bebrütens wird ein Trolley mit Eiern vom Inkubator zur MRT-Anlage geschoben. Ab diesem Moment läuft der gesamte Prozess vom Scannen bis zur Klassifizierung voll automatisiert und in Sekundenschnelle. Durch den modularen Aufbau des „Genus Focus“ können bis zu 24.000 Eier pro Stunde gescannt werden. „Unser berührungsloses Verfahren, bei dem die Eierschale unbeschädigt bleibt, verhindert nicht nur das Töten männlicher Küken, sondern erkennt außerdem noch vor der Inkubation, wenn ein Ei unbefruchtet ist. Dieses kann dann sogar zu Hause auf dem Frühstückstisch landen“, berichtet die 28-jährige Chemie-Ingenieurin Jennifer Volz. „Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bieten wir der Geflügelindustrie, dem Handel und den Verbrauchern eine zukunftsorientierte und nachhaltigere Lösung als die Bruderhahn-Aufzucht. Letztlich entstehen pro Ei lediglich Mehrkosten in Höhe von ein, zwei Cent.“ Bislang hat Orbem seine in dieser Form einzigartige Technologie neunmal in Frankreich, Norwegen, Deutschland und den Niederlanden verkauft. Zu den Brütereien in Österreich sind erste Kontakte geknüpft worden.

Mit der von Orbem entwickelten MRT-Technologie lassen sich nicht nur Hühnereier scannen. Das Team testet bereits weitere sinnvolle Anwendungsbereiche für die KI-gestützte Bildgebung und ist überzeugt, dass sich das Verfahren für viele landwirtschaftliche Zwecke als nützlich erweisen wird.

Kurz erklärt

In-ovo-Geschlechtsbestimmung Der Begriff „in-ovo“ leitet sich vom Lateinischen „im Ei“ ab. Unter In-ovo-Geschlechtsbestimmung versteht man den Vorgang, vor dem Schlüpfen eines Kükens zu analysieren, ob dieses männlich oder weiblich ist. Derartige Verfahren setzen voraus, dass es spezifische Merkmale (z. B. anatomische oder chemische) gibt, anhand derer das Geschlecht des Embryos bestimmt werden kann.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.