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28. Sep 2023

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Wirtschaft

„Mittelstandsbetriebe werden überfordert“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Bernd Dittrich/unsplash, DSLV

Der Staat belastet die Logistik-Branche mit dem Lieferkettengesetz und den bald steigenden CO2-Preisen, so DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster.

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Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Spedition und Logistik e. V. (DSLV)

Herr Huster, alle reden von Nachhaltigkeit. Wie wichtig ist dieses Thema für die Logistikbranche?
Das Thema ist in unserer Branche  schon seit Jahrzehnten verankert, denn Logistik ist ein Synonym für effizienten Ressourceneinsatz, der Basis ist für nachhaltiges Wirtschaften. Jetzt wächst aber der explizite politische und gesellschaftliche Druck, den CO2-Fußabdruck beim Transport deutlich zu verkleinern. Die EU hat hierfür klare und unverrückbare Ziele festgesetzt. 

Wie beurteilen Sie das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG)?
Nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen können nachhaltig agieren. Ein wirtschaftlicher Erfolg, der auf sozialer Ausbeutung fußt, wäre allerdings eine Fehlentwicklung. Deshalb müssen natürlich auch Speditionshäuser bei der Auftragsvergabe darauf achten, dass Transportdienstleister ihre Mitarbeiter in Übereinstimmung mit Arbeitsschutzbestimmungen und ähnlichen Gesetzen beschäftigen. Die Frage ist aber: Wie viel Überwachung ist zumutbar, d. h. wie tief muss in die Lieferkette geschaut werden? Logistik ist hochgradig global arbeitsteilig, sodass ein vollständiges Monitoring kaum möglich ist. Selbstverständlich muss die Einhaltung von gesetzlichen Schutzvorschriften auch überwacht werden, sofern es diese überhaupt gibt. Die staatliche Überwachungspflicht kann nicht einfach auf einige Unternehmen delegiert werden.

Das Gesetz ist interpretationsfähig und vor allem ein Bürokratiemonster – mit zweifelhafter Wirkung. Die meisten betroffenen Unternehmen verfügten bereits über ein Monitoring ihrer Lieferketten, jetzt kommen noch Dokumentationspflichten hinzu.

Das Gesetz gilt für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter seit 1. Januar 2023. Bekommen Sie erste Erfahrungsberichte?
Das Gesetz ist interpretationsfähig und vor allem ein Bürokratiemonster – mit zweifelhafter Wirkung. Die meisten betroffenen Unternehmen verfügten bereits über ein Monitoring ihrer Lieferketten, jetzt kommen noch Dokumentationspflichten hinzu. Um compliant zu sein, bombardieren diese Unternehmen ihre Dienstleister und Lieferanten jetzt mit umfangreichen Fragebögen, die ihrerseits Auskünfte ihrer Dienstleister einfordern. Das LKSG überfordert vor allem Kleinunternehmen und Mittelstandsbetriebe, obwohl diese noch gar nicht vom Gesetz erfasst sind. Bereits 2024 wird der Anwendungsbereich aber auf Unternehmen mit bis zu 1.000 Beschäftigten abgesenkt.

Zurück zum Thema ökologische Nachhaltigkeit. Wie ist der Fortschritt beim Ausbau der E-Mobilität im gewerblichen Güterkraftverkehr?
Die Dekarbonisierung des Lkw-Verkehrs ist gesetzt. Allerdings wird die Transformation hin zum elektrisch betriebenen Lkw vor Ende dieses Jahrzehnts nicht gelingen. Von heute 850.000 täglichen Lkw-Bewegungen allein in Deutschland werden keine 1.000 elektrisch betrieben und dies auch nur auf kurzen Relationen. Am Markt verfügbare E- und Wasserstoff-Lkw sind noch nicht reichweitenoptimiert. Absehbar ist ihre Strombedarf mit den  Ladeinfrastrukturkapazitäten nicht synchronisiert. Trotzdem erhöht die Bundesregierung bereits zum 1. Dezember 2023 den CO2-Preis für den Straßengüterverkehr – und zwar drastisch – von derzeit 30 auf 240 Euro pro Tonne. Mit fortschrittlichen Biokraftstoffen könnten heute schon 80 Prozent der CO2-Emissionen vermieden werden, und zwar mit der Bestandsflotte mit Verbrennungsmotoren. Leider blockiert ein Teil der Bundesregierung sowohl deren Zulassung als auch deren Aufnahme in einen CO2-Anrechnungsmechanismus. und konzentriert sich sehr einseitig auf E-Mobilität und Wasserstoff. 

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Das Gesetz regelt die unternehmerische Verantwortung von Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Ab 2024 fallen auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern darunter.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home

16. Apr 2025

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Wirtschaft

Games für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland – mit Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche

Computer- und Videospiele verbinden weltweit Milliarden Menschen. Sie begeistern Jung wie Alt, Frauen wie Männer und über alle Grenzen hinweg. Technologisch setzt und entwickelt die Games-Branche die wichtigsten Trends – von Künstlicher Intelligenz über Gamification bis hin zu Virtual Reality. Mit ihrer riesigen Community und Innovationskraft sind Games zentraler Treiber der gesamten Medienindustrie. So soll der globale Markt für Games laut Marktforscher „McKinsey“ bis 2040 um bis zu 330 Prozent auf rund 910 Milliarden US-Dollar wachsen; schon heute ist der Umsatz größer als von Film und Musik zusammengenommen. In diesem global bedeutsamen Markt kann auch Deutschland zukünftig eine noch wichtigere Rolle spielen. Mit Games werden hierzulande rund 9,4 Milliarden Euro umgesetzt. Damit ist der deutsche Games-Markt bereits die Nummer 1 in Europa und der fünftgrößte weltweit. 6 von 10 Deutschen spielen Games. Das Durchschnittsalter liegt bei über 38 Jahren. Während hier nach wie vor viele Games konsumiert werden, sind Games-Produktionen aus Deutschland jedoch kaum an diesen starken Umsätzen beteiligt. Anders als an anderen Top-Standorten wie Großbritannien, Kanada oder Frankreich fehlen für die Games-Unternehmen in Deutschland verlässliche und international konkurrenzfähige Rahmenbedingungen. Diese braucht es aber, um die riesigen Chancen für Wirtschaft, Digitalisierung und Gesellschaft auch hierzulande zu nutzen. Denn die Potenziale sind da: Deutsche Games-Unternehmen sind kreativ, vielfältig und innovationsstark. Hier werden herausragende Ideen, Geschichten und Technologien auf Weltniveau geboren. Das zeigen in jedem Jahr etwa die nominierten Spiele beim Deutschen Computerspielpreis. Doch auf dem global hart umkämpften Markt – viele Titel konkurrieren um die begrenzte Zeit der Spielenden – sind wir als Branche, die noch am Anfang ihrer Aufholjagd zu den besten Games-Standorten ist, im Nachteil. Während andere erfolgreiche Länder bereits vor vielen Jahren die Weichen für eine starke Unterstützung ihrer Games-Branchen gestellt haben, haben wir in Deutschland erst vor wenigen Jahren angefangen. >Mit einem planbaren Fördermodell kann die Games-Branche endlich auch hierzulande zu einem starken Wachstums- und Innovationstreiber werden. Dafür setzen wir uns als Branche in Deutschland ein. Jetzt liegt es an der neuen Bundesregierung, ein verlässliches und konkurrenzfähiges Förderprogramm zügig aufzustellen. Ein wichtiger Schritt war dabei 2020 der Start der Games-Förderung des Bundes. Diese zeigte gerade zu Beginn eine Starke Wirkung: Die Anzahl der Games-Unternehmen und -Beschäftigten stieg deutlich an und es sind zahlreiche neue Spieleprojekte entstanden. Bedingt durch die hohe Nachfrage und die begrenzt zur Verfügung gestellten Fördermittel kam es jedoch mehrfach zu längeren Förderstopps. Das hat die positive Dynamik der vergangenen Jahre wieder zum Erliegen gebracht. Die entscheidende und wettbewerbsfähige Maßnahme ist dabei eine zusätzliche steuerliche Games-Förderung. Diese wird an international erfolgreichen Games-Standorten bereits seit vielen Jahren eingesetzt und bietet dort im Vergleich zu Deutschland Kostenvorteile von rund 30 Prozent. Aus wirtschaftlicher Perspektive würde das steuerliche Fördermodell Vorteile für den gesamten Wirtschaftsstandort bringen – so würde jeder Euro für die steuerliche Games-Förderung 4,80 Euro zusätzliche Investitionen auslösen, 3,40 Euro zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialabgaben generieren und 8,70 Euro zusätzliche Brutto-Wertschöpfung nach sich ziehen. Mit einem planbaren Fördermodell kann die Games-Branche endlich auch hierzulande zu einem starken Wachstums- und Innovationstreiber werden. Dafür setzen wir uns als Branche in Deutschland ein. Jetzt liegt es an der neuen Bundesregierung, ein verlässliches und konkurrenzfähiges Förderprogramm zügig aufzustellen. Und wer sich von den Potenzialen, Innovationskraft und Kreativität von Games überzeugen möchte, ist auf der gamescom im August genau richtig! Von den neuesten Spielen und Gaming-Trends über die spannendsten Technologien bis hin zu E-Sport und Popkultur rund um Games: Tausende Menschen aus aller Welt treffen sich auf dem weltgrößten Games-Event vor Ort in Köln, um gemeinsam diese einzigartige Kultur zu feiern. Hunderte Millionen weltweit schalten bei den digitalen Formaten zu. Einmal im Jahr schlägt damit das Herz der Games-Welt hier in Deutschland. Eines ist aber klar: Damit auch das ganze Jahr über alle Augen auf uns gerichtet sind, braucht die Games-Branche verlässliche und international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen!