Dr. Carl Dominik Klepper bei einer Ansprache auf einem Podium

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21. Mär 2024

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Wirtschaft

Monomaterialien für gute Recyclingfähigkeit – Interview mit Dr. Carl Dominik Klepper

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Foto: Presse

Dr. Carl Dominik Klepper, Vorstandsvorsitzender Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt e. V. (AGVU), fordert flächendeckende Investitionen in ganz Europa, um die verpflichtende EU-Verpackungsordnung umsetzen zu können. Und hat auch sonst ein paar Vorschläge.

Herr Dr. Klepper, die neue EU-Verpackungsverordnung wird voraussichtlich in Kürze verabschiedet. Was wird sich dadurch für Hersteller, Recycler und Konsumenten ändern? Es sind Vorgaben zur Minimierung von Verpackung geplant, die besagen, dass Verpackung nicht aufwendiger, schwerer und umfangreicher sein darf, als sie potentiell sein könnte. Hersteller von Verpackungen müssen nachweisen, dass ihre Verpackungen tatsächlich diesem Minimalstandard entsprechen.

Wir erwarten deshalb, dass sich Verpackungen bald auch im optischen Erscheinungsbild ändern werden, weil die Potentiale für Ressourceneinsparungen hier noch weiter ausgeschöpft werden. Denn der erste Punkt ist die Minimierung, der zweite das Desig-for-Recycling. Und hier erwarten die Zurückdrängung von Verbundmaterialien. Papiertüten mit integriertem Sichtfenster aus Kunststoff beispielsweise sind sehr schwer zu recyceln. Dank der neuen Vorgaben könnten diese Verbundmaterialien zunehmend durch Monomaterialien ersetzt werden. Ausnahmen könnte es hierbei vor allem für längerlebige Produkte und Produkte mit ausgesprochenem Luxuscharakter geben.

Der Entwurf der EU-Verpackungsverordnung sieht auch Quoten für den Einsatz von Rezyklaten in Kunststoffverpackungen vor. Welche Herausforderungen stellen sich hier, insbesondere bei Verpackungen mit Lebensmittelkontakt? Aus ökologischer Sicht sollte mehr Sekundärmaterial eingesetzt werden, aber gerade bei Kunststoff ist das Primärmaterial oft deutlich kostengünstiger. Die EU möchte jetzt europaweit verbindliche Quoten für den Anteil von Recyclingmaterial bei Kunststoffverpackungen einführen – doch die Kapazitäten zur Herstellung dieses Materials sind derzeit noch sehr begrenzt. Um recyceltes Material in hoher Qualität herzustellen, brauchen wir eine Investitionsoffensive, denn hier müssen auch hohe Produktanforderungen erfüllt werden. Doch auch Elastizität und Farbgebung spielen eine Rolle: Rezyklate sind aufgrund der Vermischung verschiedener Altkunststoffe häufig grau. Daran müssen wir uns gewöhnen.

Beim Kontakt zu Lebensmitteln muss auf Lebensmittelsicherheit geachtet werden. Die „gemischte Sammlung“ – Material aus der gelben Tonne und dem gelben Sack – ist aufgrund von Verschmutzungen häufig nicht für den Wiedereinsatz im Lebensmittelbereich zugelassen. Einzig die PET-Sammlung aus den Pfandautomaten gilt als sortenreine Sammlung und ist deshalb heiß begehrt. Hier brauchen wir deshalb die Zulassung von neuen Recyclingverfahren, um diese Recyclingquoten europaweit erfüllen zu können.

In diesem Jahr soll die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) gesetzlich verankert werden. Wie beurteilen Sie diese Initiative? Grundsätzlich ist es richtig, das Thema Zirkularität oben anzusiedeln. Letztlich ist das der Anspruch des europäischen Green Deals. Allerdings sollte der Kreislaufgedanke noch intensiver mit dem Klimaschutz verknüpft werden und eine größere Messbarkeit in Form von DIN-Normen gewährleistet werden.

Welche Rolle wird chemisches Recycling in Zukunft spielen? Was sind seine Vorteile, wo kann es eingesetzt werden? Chemisches Recycling ist ein Hoffnungsträger, auch, um an saubere Rezyklate im Bereich Kunststoff zu gelangen. Beim chemischen Recycling wird Kunststoff komplett aufgelöst, um dann als chemischer Grundstoff neu zusammengesetzt zu werden. Zu den Vorteilen zählt der einfache Nachweis, dass dieses Material nicht gesundheitsgefährdend ist, ein Nachteil ist der sehr hohe Energieaufwand.

Wie kann das mechanische Recycling weiter verbessert werden? Hierbei gibt es mehrere Handlungsstränge, einer davon ist die Verpflichtung zum bereits erwähnten Design-for-Recycling, also das Verbot von Verpackungslösungen, die aufgrund fehlender Trennbarkeit verbrannt werden müssen. Design-for-Recycling setzt auf Monomaterialien. Ein zweiter Weg ist die Nutzung digitaler Sortiertechnik, bei der mittels hochauflösender Kameras ausgelesen wird, was auf dem Sortierband liegt. Ein dritter Ansatz sind digitale Wasserzeichen – kaum sichtbare Markierungen auf der Verpackung, die von Spezialkameras erfasst werden.

Wie erfolgt dann das Trennen? Mit Luftdüsen, die dann die entsprechenden Abfälle beziehungsweise Wertstoffe aus den Sortierbändern herauspusten. Kunststoffe unterschiedlicher Herkunft landen dann in speziellen Boxen. Wir versuchen als Verband, diese Wertschöpfungsstufen an einen Tisch zu bringen und machen auch Workshops zu solchen Themen.

Was sollte man in die Wege leiten, um den harten Preiskampf zwischen billiger Neuware und teuren Rezyklaten zu beenden? Auch hier gibt es diverse Ansätze: Man kann es mit einer Plastiksteuer versuchen (in Europa geht bisher nur Spanien diesen Weg). Hier zahlen die Kunststoffhersteller oder Inverkehrbringer von Kunststoff einen Aufpreis, wobei recyceltes Material ausgenommen ist. Da der Ölpreis so schwierig einzuschätzen ist, ist der Weg über die europäische Verpackungsverordnung jedoch berechenbarer.

Interessanter Fakt:

Dr. Klepper ist Rheinländer mit einem Faible für Berlin. Wenn er nicht in die Hauptstadt fährt, geht er am liebsten segeln.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home